Europa wächst zwar zusammen. Aber beim Zahlungsverhalten unterscheiden sich Länder wie Schweden, Griechenland, Deutschland, Belgien und Bulgarien immer noch deutlich. Ein Zeichen für die unterschiedliche Zahlungsmoral: gestiegene Inkassofälle.

Wer beispielsweise Produkte oder Dienstleistungen nach Bulgarien liefert, sollte sich warm anziehen. Rayna Mitkova-Todorova gehört zum bulgarischen Inkassoverband ACABG, dessen Mitgliedsunternehmen („Inkassobüros“) gut 2,5 Millionen Inkassofälle pro Jahr bearbeiten und der Volkswirtschaft in ihrem Land fast 100 Millionen Euro zurückführen. Gerade in Südosteuropa sind die Forderungsmanager für Unternehmer immer wichtiger geworden. „Die viertgrößte Bank Bulgariens ist letztes Jahr pleite gegangen, und die drittgrößte musste zur selben Zeit schwere Liquiditätsschwierigkeiten bewältigen“, erklärt Mitkova-Todorova.

Kein Wunder also, dass in Bulgarien die Zahlungsmoral im Keller ist. Dabei lief es bis 2008 sogar noch gut: „In den Jahren vor der Finanzkrise war es relativ leicht, Forderungen einzuziehen“, berichtet Mitkova-Todorova. „Wenn es überhaupt mal zu Zahlungsverzögerungen kam, war der Grund meist, dass die Schuldner ihre Rechnungen schlicht vergessen hatten. Seit 2008 hat die Zahl der offenen Forderungen allerdings stark zugenommen, und auch die Zahl der Arbeitslosen ist erheblich gewachsen.“ Laut Angaben der Bulgarischen Nationalbank war letztes Jahr jeder fünfte Kredit gefährdet.

Zahlungsmoral auch in der Mitte Europas gesunken

Nicht nur in Südosteuropa müssen Gläubiger oft um ihr Geld zittern. Selbst mitten in Europa, in Belgien beispielsweise, hat die Rechnungstreue seit der Finanzkrise spürbar nachgelassen. „Noch vor fünf Jahren haben uns unsere Kunden etwa zwei bis drei Prozent ihres Umsatzes an B2C-Forde­rungen zum Einzug übergeben. Heute liegt dieser Anteil bei drei bis vier Prozent.“, berichtet Etienne van der Vaeren vom belgischen Inkassoverband.

Weniger Probleme mit der Zahlungsmoral haben Firmen in Deutschland und Schweden. Allerdings trübe hierzulande die Umsetzung der europäischen Zahlungsverzugsrichtlinie die ansonsten gute Stimmung, so der Verband der deutschen Inkassowirtschaft.

Demnach können Gläubiger im Geschäftsverkehr zwar nach 60 Tagen Zahlungsverzug automatisch eine Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro verlangen. Aber sie müssen diese jetzt auf alle weiteren Rechtsverfolgungskosten anrechnen, wie Kay Berg, Hauptgeschäftsführer des deutschen Inkassoverbands, kritisiert: „Beauftragt der Gläubiger ein Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seiner Rechte und kostet diese Rechtsdienstleistung dann in der Praxis mehr als dieser Pauschalbetrag von 40 Euro, dann zahlt der Gläubiger jetzt sogar noch drauf und wird finanziell schlechter gestellt als vor der Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie. Das ist absurd, widerspricht dem Gedanken des europäischen Richtliniengebers und sollte unserer Ansicht nach dringend korrigiert werden.“

Besser wäre es, wenn ein Selbstständiger frühzeitig erkennen würde, wenn Forderungsausfälle drohen. Wer nach mehreren Mahnungen weiter vergeblich auf sein Geld wartet und sich viele Ausreden vom Schuldner anhören muss, der beauftragt vielleicht lieber ein Inkassobüro. Doch, wie erkennt man ein seriöses Inkassounternehmen?

 

Ausreden über Ausreden: Manche Schuldner sind da recht kreativ