Verkäufer in Jeans und T-Shirt, wohin man schaut. Ja, geht denn die männliche Kleiderkultur im deutschen Business den Bach runter? Trägt denn keiner mehr Anzüge und Krawatten im Geschäftsalltag – außer im Bundestag oder in der Bank? Ich habe mit Dr. Michael Klein, dem Vorsitzenden der Deutschen Knigge Gesellschaft über die Kleiderordnung im deutschen Geschäftsleben gesprochen und unter anderem gefragt, ob Verkäufer und Vertriebsleute künftig ganz auf den Schlips verzichten können.
Knigge: Krawatten im Geschäftsalltag
Im Geschäftsalltag findet man immer weniger Männer, die Krawatten tragen. Sind Schlipsträger out?
Dr. Hans-Michael Klein: Das muss man sehr differenzieren. Es gibt Führungsebenen, die immer noch nicht auf die Krawatte verzichten. Das sind die mittleren und oberen Etagen. Ganz oben gehört es mittlerweile aber auch zum legeren, guten Ton, die Elitefunktion dadurch zu dokumentieren, dass man einfach mal auf die Krawatte verzichtet, das heißt „wir können uns es leisten auf solche Formalien zu verzichten“.
Wer waren da die Vorbilder und wie hat sich das entwickelt?
Dr. Hans-Michael Klein: Das haben die Präsidenten vorgemacht, Bush zum Beispiel, der hat damit angefangen, Schröder, und jetzt auch die großen Wirtschaftsführer. Allerdings nur bei ganz besonderen Gelegenheiten und nicht im normalen Business-Alltag. Ansonsten hat aber die Krawatte nicht nachgelassen. Nicht im Vergleich zu den siebziger und achtziger Jahren. Wenn man natürlich von den fünfziger Jahren ausgeht, gibt es weniger Krawatten, weil damals hatte jeder Azubi seine Krawatte und die angestellten Arbeitnehmer ohnehin.
In welchen Situationen ist es unhöflich, keine Krawatte zu tragen?
Dr. Hans-Michael Klein: Es ist dann unhöflich, keine Krawatte zu tragen, wenn es der Dresscode vorschreibt oder halt die ungeschriebenen Gesetze vorschreiben, dass man bei dieser Gelegenheit eine tragen sollte. Beispiel: bei einem Meeting des Vorstands. Oder im Kundenverkehr. Es gibt ja viele Unternehmensleitlinien, die schreiben ihren Mitarbeitern vor, wenn sie Kundenkontakt haben, dass sie einen bestimmten Dresscode einzuhalten haben, beispielsweise in der Bank oder Sparkasse, da wäre es grob unhöflich, keine Krawatte zu tragen. Oder zum Beispiel, wenn auf einer Einladungskarte steht: „Business Casual ist gewünscht“. Das bedeutet Anzug mit Krawatte. Überhaupt sollte man schauen, was die Anderen machen, was üblich ist. Da sollte man sich anpassen.
Wie schaut das im besonderen bei Verkäufern und Vertriebsleuten aus?
Dr. Hans-Michael Klein: Ganz wichtig: es gibt nicht den Dresscode, der für Alle gilt. Es gibt Unternehmensphilosophien und Leitlinien, die sich sehr stark unterscheiden können. Im Tattoo-Studio muss man anders aussehen als in der Deutschen Bank. Wenn ich im ländlichen Bereich Düngemittel an Landwirte verkaufe, dann kann ich nicht mit Schlips auftreten. Es muss angemessen erscheinen. Immer so, dass der Gesprächspartner sich nicht düpiert fühlt.
Woher stammt eigentlich die Krawatte?
Dr. Hans-Michael Klein: Das kommt noch aus der Zeit des Halstuches. Und das wurde immer weiter so geknüpft, dass es irgendwann zur Krawatte wurde.
Dr. Michael Klein, Vorsitzender der Deutschen Knigge Gesellschaft und Leiter der Knigge-Akademie. Nach einer kunsthandwerklichen Ausbildung Studium der Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte. Lehrbeauftragter an der TH Aachen (TA Wuppertal) und der Fachhochschule Diploma Nordhessen, Autor zahlreicher Fachbücher.