Die virtuelle Internet-Welt hat die Wirtschaft, Unternehmen, den Geschäftsalltag – und die Gesellschaft verändert. Es gibt fast nichts, was online nicht verfügbar ist. Wünsche sind oft nur einen Mausklick entfernt. Es fehlt online allerdings an „echten“ Menschen, Nähe und Gefühlen. Was sollten daher Unternehmen in ihre Geschäftsstrategie einbeziehen? Ich habe mit den beiden Seminardozenten Alfred König und Erich Zeller gesprochen, die erst kürzlich zum Thema „Haptik“ einen Vortrag auf der Frankfurter Buchmesse hielten. Beide sind in der Papier- und Druckbranche tätig.
Interview mit Alfred König und Erich Zeller
Im digitalen Zeitalter wird der Wunsch nach berühren und berührt werden größer. Warum?
Erich Zeller: Wir sind zwar rund um die Uhr über sämtliche digitalen Kommunikationskanäle verbunden, laufen jedoch zunehmend Gefahr, den echten mitmenschlichen Kontakt zueinander zu verlieren. Da tummeln sich dann auf der einen Seite Menschen auf Kontaktseiten aller Art – zucken aber ängstlich zusammen, wenn sie in der U-Bahn versehentlich die Hand eines anderen berühren.
Je schnelllebiger die Zeit wird, desto mehr an Überforderung und Verunsicherung geht damit einher. In dieser Welt sehnen sich mehr und mehr Menschen nach Sicherheit und Vertrauen. Nach Entschleunigung und Verbindlichkeit und somit letztendlich nach berühren und berührt werden.
Welche Auswirkungen hat diese Erkenntnis auf beispielsweise den Betrieb eines Online-Shops?
Alfred König: Letztlich nimmt ja die Haptik der Verpackungen und der Materialien, die der Kunde zu Hause auspackt – nachdem er online bestellt hat – eine immer wichtigere Rolle bei Kundenbindung und Markenentwicklung ein. So kann es durchaus sein, dass es dieses sinnliche Auspack- und Bindungserlebnis ist, welches über den Erfolg entscheidet. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, Papier oder generell analoge Inhalte digital darzustellen. Wir haben mittlerweile Lösungsansätze gefunden, über Bilder haptische Reaktionen im Gehirn auszulösen, die wiederum den Auslösereiz für einen Mausklick zur Bestellung erleichtern können.
Kennen Sie praktische Beispiele für „Sinnlichkeit und Haptik in der digitalen Welt“?
Alfred König: Man kann klar erkennen, dass Apple mit seinen digitalen Produkten auch und vor allem deshalb so erfolgreich ist, weil diese so konsequent auf das Haptik fokussieren. Das ist ja schon eine fast libidinöse Beziehung, die viele Menschen zu diesen Produkten haben. Man kann sie streicheln und sie reagieren darauf! Das hat Nokia vor allem den Kragen gekostet, auch wenn diese im Moment sehr intensiv daran arbeiten in den Markt zurück zu kommen.
Erich Zeller: Gerade weil das so toll ist und vor allem sehr emotional inszeniert wurde, ärgern wir uns ziemlich über die eigene Papier- und Druckbranche. Hier wurde das Thema Haptik, eigentlich ihre ursprüngliche Kernkompetenz, definitiv verschlafen und auch heute immer noch stiefmütterlich behandelt.
Wie kann man online und offline kombinieren, um Kunden zu „berühren“?
Erich Zeller: Überall sehen und spüren wir, dass da ein enormes Bedürfnis nach Echtheit und Natur ist. So konnte ein einstiges Nischenprodukt wie die „Landlust“ plötzlich zu einer Millionen-Auflage kommen. Und jedes Massenprodukt wird in der Werbung dargestellt, als käme es als Einzelstück aus der Manufaktur. Unsere eigene Erfahrung zeigt immer wieder, dass ein auf dem Bildschirm geschickt haptisch dargestelltes Papiermotiv beim Empfänger das Verlangen nach dem abgebildeten Original hervorruft.
Für welche Art von Produkten oder Diensten spielt Haptik und Sinnlichkeit eine große Rolle? Nur für hochpreisige Produkte?
Alfred König: Haptik und haptische Kommunikation haben primär erst mal gar nichts mit teuer zu tun. Das ist oft nur eine Ausrede, um sich nicht mit den Spielregeln beschäftigen zu müssen, mit denen man die gewünschten Kommunikationsbotschaften in Haptik sehr wohl übersetzen kann. Was Haptik überhaupt ist, wissen die meisten gar nicht. Jedenfalls nicht nur wie sich eine Oberfläche anfühlt. Auch Gewicht, Form und Konsistenz bestimmen die haptische Wahrnehmung, um nur einige weitere Eigenschaften zu nehmen. Mancher Hersteller würde weinen, könnte er die Kommentare hören, die seine teuren Produkte hervorrufen bei Menschen, die nur mit geschlossenen Augen in Kontakt kommen.
Wie kann man denn digitale Produkte wie Software oder Online-Dienste sinnlicher anbieten?
Erich Zeller: Wie schon erwähnt: Wir kennen auch einige wirkungsvolle Kunstgriffe, Haptik visuell vorzubereiten. Ehrlicherweise geht unsere Leidenschaft aber nicht so sehr in diese Richtung, unsinnliche Produkte sinnlicher zu machen.
Was halten Sie von haptischen Verkaufshilfen, beispielsweise von haptischen Kugelschreibern für Versicherungsvertreter? Sind Ihnen gute Beispiele bekannt?
Alfred König: Ganz sicherlich bieten auch und gerade einfache Produkte wie Kugelschreiber eine exzellente Gelegenheit, haptisch zu kommunizieren. Uns ist auch schon das eine oder andere Erzeugnis im wahrsten Sinne des Wortes „in die Hand“ gekommen, das Lust auf mehr machen würde. Aber da waren die Hersteller dann nicht konsequent genug in der Umsetzung. Oder sie wussten ganz einfach nicht, wie man es machen kann.
Alfred König. Lebt und arbeitet in zwei verschiedenen Berufs- und Lebenswelten in München: Als Material- und Produktionsberater in der Papier-, Druck- und Medienbranche, Wobei sein Selbstverständnis nicht darin besteht, nur bessere Papiere oder Produktionsumsetzungen als andere zu ermöglichen, sondern sich mit anderen zu vernetzen und dadurch Neues zu schaffen. Zum anderen tätig als Pädagoge für Psychosomatische Gesundheitsbildung. Über das Thema haptische Kommunikation finden beide Bereiche zusammen. Ferner als Fachjournalist und Texter tätig, hält Vorträge und Seminare – und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Projekten.
Erich Zeller. Berät und unterstützt Menschen und Unternehmen, wie sie im Vertrieb neue Wege gehen können und welche Vorteile ihnen eine crossmediale Medienproduktion bringt. Seine Leidenschaft: den Zugang zur Welt der erfühlten Kommunikation – vor allem in einer bilderüberfluteten Zeit. Mit „haptischer Kommunikation“ durch einen gezielten Einsatz sensorischer Signale ein Alleinstellungsmerkmal von Print schaffen, auch im Zusammenspiel mit den digitalen Medien. Seit über zehn Jahren steht er als selbständiger Medien-Produktioner für ausgefallene Print-, Papier- und crossmediale Projekte. Hochwertige Materialien, Verarbeitungs- und Veredelungstechniken, sowie pfiffige und ausgefallene Mailingaktionen sind seine Passion.
Seminare: www.seminare-koenig-zeller.com