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Personalisierte Produkte: Deutsche Unternehmen weltweit führend

15. März 2012

Müller-, Meier- oder Schulzebier: Gerstensaft mit dem eigenen Namen auf dem Etikett kann sich heute jeder im Internet bestellen. Experimentelle Schokoladenkreationen lassen sich ebenso in „Kleinauflage“ nach individuellen Vorlieben produzieren – ob mit Kümmel oder Lebkuchengewürz. Bezahlbare Parfüms in selbst komponierter „Duftnote“ oder der persönliche Turnschuh sind im Verbraucheralltag angekommen: „Mass Customization“ (MC) nennt sich diese „Maßschneiderung“ von der Online-Stange. Dank MC wird Otto Normalverbraucher zum „Prosumenten“ – dem produzierenden Konsumenten – und bekommt über das Internet, was sich früher nur gut Betuchte leisten konnten: Nach seinen Vorstellungen gefertigte Unikate, die so schnell kein Zweiter trägt oder verschenkt. Erst bei Bestellung laufen die Maschinen an und es gibt kein Fertigwarenlager, in dem Ladenhüter vor sich hin rotten. Inzwischen lässt sich fast jedes Produkt nach speziellen Bedürfnissen in akzeptabler Zeit herstellen.

Im heutigen Interview gibt Heiko Vogelgesang, Herausgeber des MC-Branchenmagazins egoo.de, Tipps, worauf bei Neugründungen zu achten ist.

Interview mit Heiko Vogelgesang, egoo.de

egoo.de - Branchenmagazin - Heiko Vogelgesang

Heiko Vogelgesang, Herausgeber des Branchenmagazins egoo.de

Was ist nach Ihrer Ansicht der Grund, dass deutsche Unternehmer im Bereich der individuellen Produkte so erfolgreich sind? Wie unterscheiden sie sich von beispielsweise nordamerikanischen Ideen?

Heiko Vogelgesang: Eine gute Frage, die sich ohne repräsentative Untersuchung aber sicher nur schwierig beantworten lässt. Trotzdem dürften vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend gewesen sein.

Wir Deutschen haben es erfunden! Was wir eine schlechte Phrase aus der Werbung wirkt, lässt den Erfolg dennoch gut erklären. Deutschland ist Vorreiter in Sachen Mass Customization, dementsprechend groß war auch der Medienrummel. Diese Aufmerksamkeit gepaart mit dem Wissens-Vorsprung dürfte letztlich für den Erfolg gesorgt haben.

Ein weiterer Faktor dürfte das immer stärker werdende Verlangen nach nachhaltigen Produkten sein. Bio oder fair-trade haben mittlerweile einen hohen Stellenwert in Deutschland. Und personalisierte Produkte sind nicht nur persönlicher, sondern oft auch nachhaltiger.

Ab wann beginnt ein individualisiertes Produkt, wann endet es doch eher in der Massenfertigung, beispielsweise MyMuesli mit ihrer neuen Abfertigungsmaschine?

Heiko Vogelgesang: Die Art der Produktion spielt für den Endkunden eher ein untergeordnete Rolle. Dieser bekommt auch bei MyMuesli am Ende ein Produkt, dass selbst nach den eigenen Vorgaben hergestellt wurde. Ob nun mit oder ohne maschinellen Einsatz.

Vielmehr kommt es am Ende daher darauf an, ob der Kunden am Individualisierungs-Prozess beteiligt war oder nicht. Durften die Zutaten bestimmt werden, konnte ein eigener Text auf dem Produkt platziert werden, gab es die Möglichkeit Farbe und Material zu bestimmen.

Bestehen für Existenzgründer überhaupt noch Chancen im Markt – oder wird es eng?

Heiko Vogelgesang: Das x-te Startup für individuelles Müsli zu starten, macht heute natülich keinen Sinn mehr. Aber es sind noch genügend andere Bereiche und Nischen unbesetzt. Die Chancen stehen daher weiter gut. Zudem können aktuelle Existenzgründer von den bisherigen Erfahrungen der Branche profitieren.

Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenziale? Wann begann der Boom in Deutschland?

Heiko Vogelgesang: Der Boom in Deutschland begann 2008/2009. Zwar gab es auch schon lange vorher ein breites Angebot an personalisierbaren Produkte, mit der Einführung von individuellen Lebensmitteln, hat die Branche jedoch noch mal ein Hoch erlebt.

Entwicklungspotenziale stecken in vielen Bereichen. Noch längst ist nicht alles abgedeckt, was zu einem realistischen Preis personalisiert werden könnte. Vor allem Großkonzerne verschenken meiner Meinung nach noch viel Potenzial. Große Marken, die ihre allgemein bekannten Produkte in einer personalisierten Form anbieten, gibt es noch viel zu wenige.

Worauf sollten neue Startups unbedingt achten?

Heiko Vogelgesang: Auf eine langfristige Planung und Skalierbarkeit! Einige der vielversprechenden Unternehmen mussten schließen, weil nicht auf die saisonbedingten Preisschwankungen der Rohstoffe, z.B. Zutaten bei Lebensmitteln, geachtet wurde. Hier heißt es also schon bei der Planung in die Zukunft schauen.

Zudem sollte nicht der Arbeitsaufwand unterschätzt werden. Einfach nur Bestellung annehmen und Produkt versenden reicht im Mass Customization nun mal nicht. Selbst bereits erfolgreiche Unternehmen wie beispielsweise chocri mussten zeitweise ein Bestellstopp einführen, da man mit der Produktion nicht hinterher kam.

Was sind Ihre persönlichen Top5, und was die Flop5?

Heiko Vogelgesang: Zu meinen persönliche Favoriten gehören u.a. MyParfuem, youtailor, MyM&Ms und Spreadshirt. Weniger begeistern können mich die unzähligen Kopien, die versuchen, das gleiche personalisierte Produkte zu verkaufen und dabei nicht einmal in einen vernünftigen Konfigurator investieren. Ein Konfigurator ist eine kleine Anwendung mit der, meist online, die Eigenschaften eines Produkts an die eigenen Bedürfnisse und Wünsche angepasst werden kann.

Sie sind der Herausgeber von egoo – was macht Ihre Website einzigartig im Vergleich zu anderen? Was ist Ihr Geschäftskonzept?

Heiko Vogelgesang: Nun, zum einen war egoo.de das erste Portal, das sich bereits Ende 2008 rein auf personalisierte Produkte spezialisiert hat. Zum anderen arbeite ich eng mit den Anbietern zusammen, wodurch das Online-Magazin aber auch das Shop-Verzeichnis mit mittlerweile mehr als 340 Anbietern profitiert.

Das Geschäftskonzept ist einfach. In erster Linie soll egoo informieren und eine Übersicht aller Anbieter und Möglichkeiten bieten! Mittelfristig soll damit natürlich auch Geld verdient werden. Überwiegend durch Werbung und performance-basiertes Marketing.

Danke für das Gespräch!