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Die Abzocke mit dubiosen Branchenbucheinträgen

03. Dezember 2010

Selbständige müssen ständig um neue Kunde werben und sich im harten Wettbewerb abheben. Manche Geschäftsleute wissen, unter welchem Druck die meist kleineren Unternehmer im Alltag stehen und nutzen die Situation mit scheinbar kostenlosen Branchenbucheinträgen schamlos aus. Ein aktuell bundesweiter Fall zeigt, wie schnell man auf vermeintlich kostenlose Angebote hereinfallen kann. Eine Masche, die seit mehreren Jahrzehnten offenbar immer wieder funktioniert. Der Leipziger Journalist Daniel Dieter Große, freier Journalist und Blogger bei der Leipziger Volkszeitung, hat den aktuellen Fall recherchiert und in seinem Blog dokumentiert. Ich habe ihn dazu interviewt.

Daniel Große, Leipziger Journalist und Blogger

Daniel Große, Leipziger Journalist und Blogger

Um welches Angebot handelt es sich und wie wurden Sie darauf aufmerksam?

Daniel Große: Mich haben Leser meines Blogs auf dieses zweifelhafte Angebot aufmerksam gemacht. Es handelt sich um die Website gelbes-branchenbuch.info. Der Anbieter, angeblich die DMV Deutscher Medien Verlag Limited aus Wakefield, Großbritannien, verschickte Faxe an Unternehmen mit der Bitte, ein „notwendiges“ Formular auszufüllen. Dabei sollte die „Grundlistung“ kostenlos erfolgen, sobald man aber Kontaktdaten einträgt, schließt man einen Vertrag mit dem so genannten Verlag ab, der im Jahr 739 Euro netto kostet – für die Eintragung in ein unbekanntes Verzeichnis im Internet, das den Namen „Branchenbuch“ meiner Meinung nach nicht verdient.

… also doch kein kostenloses Angebot?

Daniel Große: Bei weitem nicht. Für viele Empfänger des Faxes war dies aber nicht klar, weil die Angabe der Kosten im Fließtext neben dem Formular und recht klein erfolgte. Zudem erschien wohl all denen, die tatsächlich das Formular ausgefüllt haben, eine „Grundlistung“ ohne Kontaktdaten unsinnig, weshalb sie auch ihre Telefon- und Faxnummer sowie ihre Website-Adresse eintrugen. Hier lag die Falle: Wer dies tat und zurück faxte, ging den Vertrag ein und akzeptierte die Kosten. Dass es sich dabei nicht um das „echte“ Gelbe Branchenbuch handelte, dessen offizieller Name „Gelbe Seiten“ ist, haben die betroffenen Unternehmer nicht bemerkt.

Das Fax mit dem verlockenden Angebot von gelbes-branchenbuch.info

Das Fax mit dem verlockenden Angebot von gelbes-branchenbuch.info

Was schätzen Sie, wie viele Selbständige davon betroffen sind?

Daniel Große: Das ist schwer zu sagen. Bereits auf meine erste Warnung vor dem Angebot, die ich ins Blog schrieb, als die Faxe ausgesandt wurden, gab es viele Reaktionen im Blog. Auch hatte ich viele Mails und Anrufe erhalten von Unternehmern, die nur nochmal von mir hören wollten, dass dieses Angebot eben doch nicht kostenlos ist. Jetzt, nachdem die ersten Rechnungen verschickt wurden, wurde ich regelrecht überschwemmt mit Anfragen. Mein Telefon stand kaum still, ich habe mit etwa 60 betroffenen Unternehmern gesprochen, rund 50 Mails erhalten. Alle haben mir ihre Rechnung gemailt und mich gefragt, was zu tun ist. Inzwischen habe ich ein Interview mit einem Anwalt veröffentlicht, der die wichtigsten Fragen beantwortete. Auch Ratschläge der Kriminalpolizei finden sich im neuesten Eintrag. Ich schätze, dass hier in großem Stil bundesweit ausgesandt wurde. Das zeigen mir die Mails aus allen Teilen der Republik. Es werden wohl einige tausend Unternehmen in den letzten Tagen solch eine Rechnung erhalten haben.

Haben Betroffene denn die Werbung ohne Einverständnis per Telefax erhalten?

Daniel Große: Ja, die Faxe gaben zwar vor, hier ginge es darum, Daten „aktuell zu halten“, in Wirklichkeit gab es vorher aber keine Geschäftsbeziehung mit dem Anbieter. Die Faxe waren also unverlangte Werbefaxe.

Wer steckt hinter dem Angebot?

Daniel Große: Ich habe kurz nach Versendung der „Eintragungsangebote“ meine Recherchen begonnen. Bei der Überprüfung des Domaininhabers von gelbes-branchenbuch.info bin ich auf ein weiteres Verzeichnis gestoßen, in dessen Impressum ein Unternehmen aus Greifswald angegeben war. Nach Veröffentlichung der Recherchen wurde das Impressum bearbeitet und der DMV Deutscher Medien Verlag Limited eingesetzt. Hier hat also offensichtlich jemand gehandelt, um Spuren zu verwischen. Inzwischen gehört die Domain einem Mann mit Sitz in Hongkong und die Domain liegt nun auf einem Server in der Türkei.

… und Sie sind rechtlich auch betroffen. Warum?

Daniel Große: Das angesprochene Unternehmen aus Greifswald beziehungsweise sein Geschäftsführer wehren sich juristisch gegen die Vorwürfe und machen Unterlassungsansprüche geltend. Ich solle es also unterlassen, ihn und seine zahlreichen Unternehmen in Verbindung mit gelbes-branchenbuch.info zu bringen. Allerdings gibt es diverse Ungereimtheiten und Zusammenhänge, die sich ohne weiteres herstellen lassen – nicht nur von mir, sondern auch von Ermittlungsbehörden.

Was meinen die von Ihnen befragten Juristen zu diesem Fall? Haben Sie auch die Staatsanwaltschaft befragt?

Daniel Große: Der von mir befragte Anwalt geht davon aus, dass hier gar kein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist. Außerdem sollten Unternehmer, die eine Rechnung erhalten haben, Anzeige wegen versuchten Betruges gegen die DMV Limited erstatten und die Rechnung natürlich nicht bezahlen. Die Staatsanwaltschaft habe ich dazu nicht befragt, mir genügte vorerst die Kriminalpolizei Mainz, die in einem ähnlichen Fall ermittelte.

Aber es gibt auch seriöse Branchenbucheinträge …

Daniel Große: Natürlich. Bestes Beispiel sind die bekannten Gelben Seiten der Deutsche Telekom Medien und ihrer Partnerverlage. Auf gelbeseiten.de gibt es die Möglichkeit einer kostenlosen Grundlistung mit allen Kontaktdaten. Will man eine Hervorhebung und eine gestaltete Erwähnung haben, werden Gebühren fällig, ebenso wie in den gedruckten Verzeichnissen. Auch hat man bei Google die Möglichkeit, sein Unternehmen kostenlos einzutragen. Der Dienst heißt Google Places. Der Vorteil ist hier, dass Ihr Unternehmen über die normale Google-Suche gefunden werden kann, auch wenn Sie beispielsweise über gar keine Website verfügen. Zudem gibt es diverse Branchenverzeichnisse im Internet. Hier gilt es vor Eintragung genau zu prüfen, ob Kosten entstehen und wie hoch diese sind.

Drei einfache Regeln, die Selbständige nach Ihrer Einschätzung einhalten sollten?

Daniel Große: Erstens: Vorsicht bei Angeboten, die Sie unverlangt per Fax, Mail oder Post erreichen. Überlegen sie, ob Sie wirklich bereits eine Geschäftsbeziehung zu dem Anbieter haben. Zweitens: Lesen Sie alles auf dem Schreiben genau durch. Wenn Sie im Stress sind, legen Sie das Schreiben beiseite. Lassen Sie sich nicht durch eine offizielle Aufmachung mit Strichcode und stempelähnlichen Aufdrucken täuschen. Lassen Sie sich nicht drängeln, auch wenn „bitte sofort bearbeiten“ und ähnliches auf dem Schreiben steht. Und drittens: Melden Sie unverlangt eingegangene Faxe bei der Bundesnetzagentur. Das geht online. Teilen Sie dort mit, wann das Fax einging, welche Rufnummer auf dem Schreiben angegeben wurde und von welcher Faxnummer aus das Fax gesendet wurde. Die Bundesnetzzentrale ist in der Lage, fragwürdige Nummern zu sperren und gegen die Anbieter vorzugehen.

Danke für das Gespräch. Betroffene finden im persönlichen Blog von Daniel Große weitere Informationen zu dem aktuellen Fall.