Fünf Online-Trends, die Sie nicht unterschätzen sollten, denn E-Commerce, also der elektronische Handel, ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. In den USA oder Großbritannien macht der E-Commerce traditionellen Geschäftsmodellen bereits kräftig Konkurrenz und bedroht Unternehmen, die sich nicht auf ihn einstellen möchten oder können. Doch auch in Deutschland wächst der Online-Handel: Laut einer Prognose der Experten vom IfH Institut in Köln soll der Umsatz im E-Commerce bis 2020 auf 77 Milliarden Euro ansteigen, was im Vergleich zum Jahr 2013 eine Steigerung von 285 Prozent bedeuten würde. Wir zeigen Ihnen im folgenden fünf – bereits bewährte – Trends …
E-Commerce in der EU
Die folgende Grafik zeigt den Anteil von Unternehmen in Ländern der Europäischen Union, die elektronischen Handel betreiben (links), sowie den Anteil am Gesamtumsatz, den der Online-Handel einnimmt (rechts).
Daten von Eurostat via Ons.gov.co.uk
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So wie ein jedes Jahr mit Rückblicken über die wichtigsten Entwicklungen endet, so beginnen die ersten Wochen in einem neuen Jahr mit Vorhersagen zu Trends. Doch die Spreu vom Weizen zu trennen ist nicht immer einfach. Viele Eintagsfliegen werden unreflektiert als „Trends“ vorgestellt. Nicht jedem Trend muss gefolgt werden. Im Folgenden wird auf fünf E-Commerce-Trends eingegangen, die sich bereits bewährt haben und über die sich Unternehmer in dieser Branche deswegen spätestens 2015 informieren sollten:
Bewährte E-Commerce-Trends für 2015
- Mobile Shopping
- Virtuelle Umkleidekabinen
- Kundenindividuelle Massenproduktion („Mass Customization“)
- Omni-Channel
- Reverse Showrooming
#1: Mobile Shopping
Smartphones, Phablets und Tablets werden immer vertrautere Lebensbegleiter. Warum nicht auch darüber einkaufen?
Neben dem Smartphone wird in Deutschland vor allem das Tablet zum Mobile Shopping verwendet. Laut einer aktuellen Studie der Online-Werbefirma Criteo befindet sich Deutschland im internationalen Vergleich knapp unter dem Durchschnitt von 30 Prozent: Über ein Viertel aller Online-Einkäufe werden in Deutschland über ein mobiles Endgerät abgewickelt. In Japan und Südkorea liegt der Anteil sogar bei knapp 50 Prozent.
Deutschland widersetzt sich internationalen Trends
Neben dem Smartphone wird in Deutschland vor allem das Tablet zum Mobile Shopping verwendet, was dem internationalen Trend entgegen läuft, wie der gesamten Criteo Studie entnommen werden kann. Android Smartphones sind weiter verbreitet als iPhones, während mehr Online-Einkäufe über das iPad stattfinden als über Android Tablets.
Für Unternehmer im E-Commerce bedeutet dies, dass die eigene Webseite (der Online-Shop) für mobile Endgeräte optimiert sein muss, da 26 Prozent der potenziellen Kunden über dieses Medium einkaufen. Eine nicht optimierte Seite kann zum Verlust der Kunden an die Konkurrenz und damit Umsatzeinbußen führen. Unternehmern stehen drei verschiedene Optionen zur Verfügung, die eigene Webseite von mobilen Endgeräten aus zugänglich zu machen. Alle drei haben ihre Vor- und Nachteile.
Mobile Verfügbarkeit für Online-Shops
Per App
Klarer Vorteil ist die hohe Nutzerfreundlichkeit dieser Variante. Entscheidender Nachteil ist jedoch, dass die App erst auf das Smartphone oder Tablet heruntergeladen werden muss, bevor ein Einkauf getätigt werden kann. Apps werden daher eher als Ergänzung zu den folgenden Optionen empfohlen.
Für mobile Endgeräte optimierte Webseite/Shop
Bei dieser Variante wird eine Domain speziell für die mobile Nutzung generiert, z.B. http://m.zalando.de, http://m.bahn.de (wobei das „m“ für „mobile“ steht). Die Weiterleitung erfolgt automatisch, wenn der Nutzer die Startseite von Smartphone, Tablet o.ä. aus besucht. Als Nachteil kann angeführt werden, dass die Funktionen nicht immer identisch mit denen der Desktopversion sind. Außerdem wird mit immer neuen Zugangsgeräten und -arten der Aufwand für solch speziellen Websites hoch, daher …
Responsive Website
Websites mit „Responsive Design bieten einen Zugang – unabhängig von Geräten an. Es erfolgt eine einwandfreie und gleiche Verfügbarkeit für alle Bildschirmgrößen, Endgeräte wie Drucker oder E-Book-Reader. Nachteil ist der technische Aufwand, der nötig ist, um diese komplexe Option zu implementieren. Der große Vorteil ist jedoch, dass danach alle Funktionen der Webseite zugänglich sind, egal, über welches Medium (Mobile, Desktop, E-Reader, etc.) die Seite aufgerufen wird – die Shopping Erfahrung ist dieselbe.
Das Fachmagazin Kassenzone hat kürzlich untersucht, welche der drei oben vorgestellten Varianten von den 100 besten Online-Shops in Deutschland gewählt wurden. Das Ergebnis überrascht: Über ein Fünftel (22) der 100 erfolgreichsten E-Commerce Web-Shops in Deutschland verfügen über keine für mobile optimierte Webseite. Nur 16 der Top 100 Online-Händler haben sich für die technisch zwar aufwendige, aber empfohlene Variante der Responsive Site entschieden. Die Minderheit der Online-Shops ermöglicht ihren potenziellen Kunden somit ein optimales Shopping Erlebnis und schöpft damit das eigene Potenzial nicht annähernd voll aus.
#2: Virtuelle Umkleidekabinen
Zu den Produkten, die deutsche Konsumenten am liebsten und häufigsten online einkaufen gehören Elektroartikel, Bücher und Kleidung. Doch gerade online erworbene Kleidungsstücke werden öfter zurückgesendet als solche, die in einem stationären Geschäft gekauft wurden. Der klare Nachteil beim Online-Shopping ist, dass die Jeans oder Bluse nicht anprobiert werden kann – und später vielleicht zwickt.
Der hohen Umtausch- und Rücksenderate wirken viele Marken nun erfolgreich entgegen, indem sie in ihrem Webshop markenspezifische Größenberater anbieten, sowie Kleidungsstücke in verschiedenen Größen darstellen oder einen Kommentar angeben, wenn das jeweilige Kleidungsstück eher groß oder klein ausfällt.
Ein weiteres Hilfsmittel, dessen sich bereits viele Online-Shops bedienen, sind virtuelle Umkleidekabinen. Das Online-Shopping-Erlebnis wird realer, wenn das Kleidungsstück in 3D an einem Model – oder am eigenen Foto – vorgeführt wird. Internetnutzer und bekommen das Gefühl, selbst im Laden zu stehen, statt online vom PC oder Smartphone aus einzukaufen. Das folgende Beispiel zeigt, wie die Marke Superdry mithilfe eines solchen virtuellen Laufstegvideos zur besseren Kundenbindung beiträgt.
Dass es funktioniert haben Studien gezeigt – wie die auf die Modezeitschrift Elle hier eingeht: Webseiten mit dieser sowie ähnlichen Funktionen verzeichneten im Jahr 2013 entscheidend weniger Rücksendungen und Umtauschanfragen ihrer Produkte. Großunternehmen wie Zalando konnte nach einer zweimonatigen Testphase bereits 9,5 Prozent weniger Rücksendungen verzeichnen.
#3: Kundenindividuelle Massenproduktion, Crowdsourcing …
Der rein passive Konsum reicht Verbrauchern heute nicht mehr aus. Sie möchten individuelle Produkte, aktiv der Produktentwicklung und am Unternehmensgeschehen teilnehmen, was sich auch an der hohen Anhängerschaft und Interaktion mit einigen Marken auf Facebook, Twitter und anderen soziale Medien widerspiegelt.
Aufgrund dieser sich ständig wandelnden Rolle der Kunden wird es für Unternehmen immer schwieriger, sie zufriedenzustellen. Kunden möchten von Unternehmen gehört werden, mit ihnen in Kontakt treten und interagieren.
„Mass Customization“ (deutsch: kundenindividuelle Massenproduktion) sowie Crowdsourcing sind gut geeignete Werkzeuge, mit denen Unternehmer ihrer Zielgruppe Gehör schenken können: Die eigene Zielgruppe und deren Bedürfnisse können besser eingeschätzt werden und das Unternehmen kann dementsprechend darauf eingehen. Und aus so manch individuell kreierten Kundenprodukten entwickeln sich regelrecht neue Produktlinien, die auch durchaus wieder Einzug in die Läden finden (Beispiel von MyMüsli/Veleda).
Die Jeans-Marke IndiDenim hat Mass Customization mit ihrem „virtuellen Jeans Designer“ in die Tat umgesetzt. Mittels eines Fragebogens können Kunden der Marke mitteilen, was für sie persönlich die perfekte Jeans charakterisiert. Anschließend untersucht der „virtuelle Jeans Designer“, welches Jeansmodell perfekt zum jeweiligen Kunden passt. Statt Produkte wie gewohnt „auf gut Glück“ zu bestellen und im Zweifelsfall zurückzuschicken, bekommen Kunden in diesem Fall das Gefühl, am Designprozess beteiligt zu sein und eine Jeans zu erhalten, die so gut wie möglich zum eigenen Körperbau und Stil passt.
#4: Omni-Channel
Hinter diesem englischen Marketingbegriff verbirgt sich die die Fusion von online- und offline-Aktivitäten. Omni-Channel (deutsch, sinngem.: „über alle Kanäle“) ist eine Weiterentwicklung des Multi-Channel-Vertriebs, bei dem sich das Shopping-Erlebnis über die Grenzen stationärer Geschäfte oder Online-Shops ausweitet.
Statt sich auf einen „Point of Sale“ (also eine Verkaufsstelle) zu fokussieren, vernetzen Unternehmen beim Omni-Channel verschiedene Absatzkanäle. So wird zum Beispiel Online-, Versand-, Kataloghandel sowie stationärer Handel parallel bedient. Im Vordergrund steht dabei das Markenerlebnis des Kunden: Ihm wird die Freiheit gegeben zu wählen wann, wo und wie er das Produkt einkauft. Die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Absatzkanälen sollen dabei fließend sein. Egal welchen Kanal der Kunde wählt, das Markenerlebnis soll dasselbe sein.
Im folgenden Video geht Marcus Tandler, einer der führenden online Marketing Experten in Deutschland unter anderem auf das Phänomen Omni-Channel ein. Es entstand während der TEDxMünchen 2013, bei der er einen Vortrag über die „Future of Search“ (Zukunft der Websuche) hielt.
#5: Reverse Showrooming
Ohne es zu bemerken, haben wir alle sicher bereits erste Erfahrungen mit Omni-Channel gemacht. Für gewöhnlich läuft es so ab: Über das Internet werden Informationen über Produkte eingeholt, vielleicht sogar über das Smartphone oder Tablet. Der Einkauf findet dann in den meisten Fällen vorzugsweise noch im stationären Geschäft statt, immer häufiger jedoch auch online. Wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), so belegen auch viele aktuelle andere Studien, dass Verbraucher Omni-Channel-Erfahrungen begrüßen.
Unternehmer sollten sich von dieser Entwicklung inspirieren lassen und das eigene Geschäft auf diesen Gesichtspunkt hin prüfen. Ist die Erfahrung des potenziellen Kunden unabhängig vom Erwerbskanal positiv? Ein großartiges Beispiel für eine Kampagne, die positiv zur Markenerfahrung beitrug, ist eine App des schwedischen Möbelhauses IKEA, die zeitgleich mit dem neuen Katalog erschien. Wie das folgende Video zeigt, machen es Augmented Reality (AR) Technologie und ein Smartphone möglich und kinderleicht für Verbraucher, Möbelstücke im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung zu visualisieren:
Quelle: IKEA/YouTube
Das wertvolle an einer solchen App ist, dass Kunden in die Unternehmensprozesse eingebunden werden und sich stärker mit der Marke identifizieren können, eine Win-win-Situation, die von beiden Seiten (Unternehmen und Verbraucher) erwünscht ist. Dies trägt nicht nur positiv zur Gesamtwirkung, sondern auch dem guten Ruf eines ganzen Unternehmens bei.
Wo steuern wir 2015 hin?
Werden Verbraucher in den nächsten Jahren noch häufiger online einkaufen oder werden die oben genannten Entwicklungen und Technologien einen Beitrag dazu leisten, dass wieder mehr Leute in stationäre Geschäfte gehen? Es wird für Unternehmen immer unerlässlicher, der Zielgruppe und damit potenziellen Kundschaft verschiedene und attraktive Optionen anzubieten, was die Einkaufsmöglichkeiten angeht. Umso wichtiger ist es daher, speziell für Online-Händler und Unternehmensgründer, sich permanent über neue Trends und Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.
Mitarbeit: Lisa Heßler, London.