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Immer mehr persönliche E-Mails werden im Internet, im Web, veröffentlicht, seien es elektronische Nachrichten vom Customer Support eines Unternehmens durch erboste Kunden – oder von Firmen, die sich untereinander streiten. Anderer Fall: Unternehmen verwerten einfach ohne Rücksprache und Honorarzahlung E-Mail-Inhalte von kreativen Freiberuflern, verletzen so ihre Rechte. Verwertung heißt: durch Weiterleitung an Agenturen zur weiteren Bearbeitung (umschreiben) oder einer direkten Veröffentlichung von Teilinhalten – vielleicht sogar verbunden mit der Absage an den Autor.

Manche Unternehmen oder Freiberufler versuchen sich mit zusätzlichen Hinweisen unter den E-Mails – den so genannten „E-Mail-Disclaimern“ – davor zu schützen. Ist ein „E-Mail-Disclaimer“ in geschäftlichen E-Mails in Deutschland rechtlich überhaupt bindend oder macht er gar keinen Sinn?

Online-Museum für E-Mail-Disclaimer

Für den Neu-Isenburger Rechtsanwalt Oliver Causse sind E-Mail-Disclaimer nichts weiteres als Angstmacher. In seinem privaten Blog Angstklauseln schreibt er: „Die «klassischen» E-Mail Disclaimer dienen im günstigsten Fall der Abschreckung des Empfängers und der vermeintlichen Absicherung des Absenders. Im ungünstigsten Fall machen sie den Absender lächerlich.“ Wie andere Menschen tote Schmetterlinge oder Bierdeckel aus aller Welt sammeln, hat Causse in seinem Blog rund 150 verschiedene E-Mail-Disclaimer zusammen getragen und freut sich immer über neue Varianten der Angstklauseln in elektronischen Nachrichten.

E-Mail-Disclaimer als juristischer Bumerang

Wie sich ein E-Mail-Disclaimer rechtlich sogar nachteilig auswirken und für eine Niederlage vor Gericht sorgen kann, zeigt ein Beitrag von Rechtsanwalt und Grimme-Online-Preisträger Udo Vetter in seinem Lawblog. Ein Rechtsanwalt war der Auffassung, er habe dem Kläger eine rechtsverbindliche Auskunft erteilt. Udo Vetter: „Vielleicht ist dies der erste Fall, in dem jemand einen Rechtsstreit wegen eines dämlichen Disclaimers verliert. Der Anwalt hatte nämlich unter seine “Auskunft” und die “freundlichen Grüße” nicht nur seine Signatur gesetzt. Sondern er verwendete noch folgende Klausel: ‚Aus Rechts- und Sicherheitsgründen ist die in dieser Mail gegebene Information nicht rechtsverbindlich. Eine rechtsverbindliche Bestätigung reichen wir Ihnen gerne auf Anforderung nach.'“

Das Gericht begründete seine Entscheidung so: „… Der E-Mail des Beklagtenvertreters vom 27. November 2007 selbst ist zu entnehmen, dass die in dieser E-Mail gegebene Information nicht rechtsverbindlich ist. Darauf wird in der E-Mail ausdrücklich hingewiesen. Gehen aber die Vertreter der Beklagten selbst davon aus, dass diese in der E-Mail enthaltenen Informationen nicht rechtsverbindlich sind, so ist diese auch nicht geeignet, den Auskunftsanspruch zu erfüllen.“ (LG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2008, 21 T 39/08). Vetters Kommentar: „Jetzt wird er seiner Mandantin einiges erklären müssen.“

Umfrage zum Thema

Um die Frage nach dem Sinn und Unsinn von E-Mail-Disclaimern endgültig zu klären, habe ich mit drei Juristen gesprochen. Hier ihre Rechtsauffassung:

Rechtsanwalt Thomas Feil

 

Rechtsanwalt Thomas Feil „Generell gilt: Vorsicht beim Veröffentlichen oder Weiterleiten persönlich adressierter E-Mails oder von ‚Irrläufern’ – egal, ob der E-Mail ein Vertraulichkeitsvermerk angefügt wurde oder nicht. Denn auch wenn kein solcher Zusatz unter der E-Mail steht, bedeutet dies nicht, dass man mit den empfangenen Inhalten machen kann, was man möchte. Gleiches gilt bei Geschäftspost: Jeder sollte sich dreimal überlegen, diese zum Beispiel im Internet zu veröffentlichen oder an Freunde weiterzuschicken. Gerade, wenn es sich um personenbezogene Daten handelt, gibt es für eine solche Übermittlung im Allgemeinen keine Rechtfertigung. Ein Vertraulichkeitsvermerk ist da lediglich ein zusätzliches Add-On. Allerdings: Oft enthält er Sätze wie: ‚Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind und diese Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender…’ – solche Aufforderungen sind nicht verpflichtend, der Empfänger kann sie ignorieren.“

Thomas Feil, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Feil Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover, Fachanwalt IT- und Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Christian Solmecke

 

„Zweck eines sogenannten E-Mail-Disclaimers, der häufig als Abschluss einer E-Mail mitgesandt wird, ist es, den Empfänger über seine angeblich bestehenden, haftungsbegründenden Pflichten und auch Verbote hinsichtlich des übermittelten Inhaltes aufzuklären. Wenn auch in der Formulierung oder einzelnen Punkten verschieden, haben die meisten E-Mail-Disclaimer denselben Inhalt. Es werden standardmäßig Regelungen zu folgenden 4 Punkten getroffen: 1. Geheimhaltung / Vertraulichkeit bezüglich des Inhalts. 2. Weiterleitungsverbot. 3. Datenschutz. 4. Kenntnisnahmeverbot.

Fraglich ist, ob diese Pflichten und Verbote auch tatsächlich rechtlichen Bestand haben.
Die Regelungen richten sich ihrem Inhalt nach an den vorgesehenen Empfänger sowie an den Empfänger, der die Nachricht irrtümlich erhalten hat. Um eine rechtlich wirksame Klausel darzustellen, muss jeder dieser Punkte zwischen den Parteien vereinbart werden. Wenn die Regelungen lediglich in einer E-Mail mitgesandt werden, sind sie jedoch nur eine einseitige Erklärung. Für eine wirksame Vereinbarung bedarf es zusätzlich der Annahme durch den Empfänger. Eine einseitige Verpflichtung auf diese Art ist schlichtweg nicht möglich.

Hinzu kommt die Frage, ob derartige Regelungen überhaupt notwendig sind. Zum einen sind bestimmte Berufsgruppen ohnehin zur Geheimhaltung im Rahmen der Berufsausübung verpflichtet. Dies betrifft beispielsweise Ärzte im Umgang mit ihren Patienten oder Rechtsanwälte in Bezug auf ihre Mandanten. Sie werden bereits kraft Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet. Gegenüber diesen Berufsgruppen macht ein E-Mail-Disclaimer demnach keinen Sinn. Zum anderen kann sich eine Geheimhaltungspflicht als Nebenpflicht aus einem bestehenden Vertrag zwischen Sender und Empfänger ergeben, weswegen es keines E-Mail-Disclaimers bedarf.

Auch im Hinblick auf das Weiterleiten von E-Mails greift unter Umständen bereits der Schutz durch bestehende Gesetze. Wenn die Mail eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht, unterfällt sie bereits dem Schutz des Urheberrechts. Ein Weiterleiten wäre daher verboten. Das heißt auch hier bräuchten wir keinen Disclaimer. Nahezu identisch ist die Lage bei den Datenschutzregelungen in einem E-Mail Disclaimer, also die Frage, ob einzelne, personenspezifische Daten, die der E-Mail zu entnehmen sind, verwendet werden dürfen. Eine einseitige Regelung kann auch hier nicht getroffen werden. Jedoch greift unter Umständen das Bundesdatenschutzgesetz ein, aus dem sich ein Verbot der E-Mail Weiterleitung ergeben kann.

Lediglich das Kenntnisnahmeverbot ist nirgends gesetzlich geregelt. Gemeint ist der Fall, dass die E-Mail an den falschen Empfänger versandt wurde. Dieser wird dem Disclaimer nach dazu aufgefordert, den Inhalt nicht zu lesen und die E-Mail umgehend zu löschen. Hier besteht die Schwierigkeit, dass der Empfänger in der Regel den Inhalt lesen muss um zu wissen, ob die E-Mail für ihn bestimmt ist oder nicht. Ansonsten kann auch hier nur darauf verwiesen werden, dass eine einseitige Vereinbarung hinsichtlich eines Kenntnisnahmeverbotes nicht möglich ist.

Fazit: Die Verwendung der E-Mail-Disclaimer mag in der Praxis zwar weit verbreitet sein, aus rechtlicher Sicht ist die Verwendung jedoch überflüssig, da keine rechtliche Bindung des Empfängers der E-Mail begründet wird.

Christian Solmecke, Rechtsanwalt, Fachgebiete: u.a. IT- und Internet-Recht,
Kanzlei Wilde-Beuger-Solmecke