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Selbständig mit Kindern – nicht immer einfach, aber machbar mit einem guten Partner wie wir in unserem Beitrag „Familienmanagement mit Arbeitsteilung“ gezeigt haben. Aber alleine selbständig mit Hund und Katze? Ich habe die Leipziger Buchhändlerin Melanie Kemter besucht und mit ihr über den Alltag als „Tiermutti“ sowie Unternehmerin gesprochen.

Kami und Lasse

7.02 Uhr. Zwei Pfoten tasten sich langsam ins Bett, erst die eine, dann die zweite – schnell folgen die Hinterbeine und schon liegt das 30 Kilo schwere Fellpaket auf seinem Frauchen. Ein typischer Montagmorgen für Melanie Kemter. Direkt neben ihr hat es sich inzwischen auch Kater Kami bequem gemacht. Er schnurrt verführerisch. Kater und Hund verfolgen mit ihren Zärtlichkeitsattacken nur ein Ziel: es ist Frühstückszeit und beide wollen fressen. Frauchen füllt die Näpfe der beiden Tiere und schaut in ihr E-Mail-Postfach. Am Wochenende bestellten mehr als 40 Kunden Bücher – von Brechts Dreigroschenoper bis zu einer antiken Ausgabe eines Märchenbuches, Wert 100 Euro. Melanie Kemter verkauft über ihre Firma Antiquariat Süd gebrauchte antiquarische, aber auch neuzeitliche Literatur, von Belletristik bis zu Kinderbüchern. „Mein Traum war es schon immer selbständig zu sein und irgend etwas mit Büchern zu machen“, erzählt sie. „So kann ich mir die Zeit frei einteilen, was auch für den Hund vorteilhaft ist. Wäre ich angestellt, hätte ich keinen Hund“.

8.12 Uhr. Gassi gehen mit Lasse. „Hol Deine Schuhe!“, befiehlt sie dem Labrador, der daraufhin brav seine Leine aus dem Flur holt. Dort stapeln sich die antiquarischen Bücher inzwischen mehr als zwei Meter hoch. Es bleibt kaum Platz in der kleinen 2-Zimmer-Wohnung. Der Rest der mehreren tausend Papierwerke befindet sich auf dem Dachboden. Lasse ist trotz seiner neun Jahre lebendig, spielt und schwimmt vor allem gerne. Während des Spaziergangs am alten Leipziger Hafen plant sie ihren Tag. Die 40 Bestellungen müssen raus – und in ihrem Nebenjob bei einem Steintapetenhersteller sind zwei Angebote zu schreiben.

Kater Kami neben Brecht

Kater Kami neben Brecht

8.45 Uhr. Melanie Kemter zählt zu den tausenden von kleinen Selbständigen, die nebenbei noch andere Jobs machen, um Miete, Essen, Krankenkasse – sowie Tierfutter – abzusichern. „Ich arbeite direkt für den Inhaber der Firma. Selbständige verstehen andere Selbständige am besten. In dem Büro kann ich auch weitere Bücher lagern und es ist auch nur 50 Meter von meiner Wohnung entfernt“, sagt sie und lächelt. Sie leitet neben ihrem Antiquariat die Leipziger Niederlassung eines sächsischen Unternehmen ganz alleine. Vorteil: Sie kann sich ihre Zeit frei einteilen. „Ein Traum“, meint Kemter während sie einen Korb mit Büchern füllt. Kater Kami macht es sich derweil bequem auf dem heimischen Schreibtisch. Direkt neben einem dicken Schinken von Brecht. Für ihn ist gleich Schlafenszeit und er wird es sich unter dem Bett gemütlich machen.

11.23 Uhr. Melanie Kemter telefoniert im Büro und packt nebenbei ein Paket. Inhalt: ein Stapel Reclam-Literatur, der dann später mit DHL nach Österreich verschickt wird. Bestellen können die Kunden per Internet – beim zentralen Verzeichnis antiquarischer Bücher, kurz ZVAB. Dort speichert die 39-Jährige Buchhändlerin einen Teil ihres Lagerbestandes. In einer Excel-Tabelle registriert sie erst die Bücher und lädt dann eine konvertierte Fassung zum ZVAB-Server hoch. Eine Sisyphosarbeit. Lasse bellt, es ist Zeit zum spielen. Frauchen Melanie gönnt sich fünf Minuten Auszeit. Und aktualisiert anschließend den Status von Lasse bei Facebook. Denn der hat dort eine eigene Fanseite.

13.30 Uhr. Mittagszeit, Lasse muss Gassi gehen. „Kinder haben den Vorteil, dass sie irgendwann von alleine auf die Toilette gehen und sich was zum essen aus dem Kühlschrank holen. Hunde bleiben ewig Kinder“, scherzt sie und macht sich auf den Weg zum Hafen. Nach dem kleinen Spaziergang tippt sie Zahlen für ihre Buchhaltung in ihren PC. „Ohne entsprechende Software wäre ich aufgeschmissen“, meint sie. Einen Laden braucht die gelernte Buchhändlerin heute nicht mehr. Vor drei Jahren führte sie noch ein eigenes Geschäft mit Ladenlokal im Leipziger Süden, das sich nach kurzer Zeit zum Szenetreffpunkt für Literaturfreunde entwickelte – vom Professor bis zur Rentnerin. Rund 25.000 Bücher verwaltete sie zu dieser Zeit. Für Stammkunden gab es bei einem netten Plausch auch schon mal einen Kaffee. Auf dem roten Plüschsofa immer mit dabei: Labrador Lasse. Aus Kostengründen entschied sie sich, einen großen Teil der Bücher zu veräußern und ihr Geschäft stattdessen aus der Privatwohnung weiter zu führen. „Eine Entscheidung, die ich nicht bereue“, erklärt sie.

17.45 Uhr. Höchste Zeit, die letzten 25 Pakete mit dem Fahrrad zur Postannahmestelle zu bringen. Lasse trottet brav nebenher. „Er ist sehr folgsam, gut erzogen. Da brauche ich mir keine Gedanken zu machen, dass er über die Straße läuft“, erzählt sie. Zu Hause wartet weitere Arbeit auf sie. Jemand hat ihr nach einer Wohnungsauflösung eine Kiste voller alter Bücher vor die Tür gestellt. „Ich betreibe sozusagen eine anonyme Bücherklappe. Manchmal sind richtige Juwelen darunter, zuletzt ein antikes Märchenbuch, das mehrere hundert Euro kostet“. Was die neue Bücherlieferung tatsächlich wert ist, wird sie an diesem Abend noch im Internet recherchieren.

'Anonyme Bücherklappe'

‚Anonyme Bücherklappe‘

23.32 Uhr. Todmüde fällt Melanie Kemter ins Bett. Kurz zuvor hat sie noch die Details der Indienreise mit ihrem Auftraggeber per Skype abgesprochen. Ein ständiger Wechsel zwischen Selbständigkeit und dem Nebenjob, der fast ein Hauptjob geworden ist. Noch ist für sie heute nicht Schluss. Kami ist nun putzmunter, ein nachtaktiver Kater, der seine Zärtlichkeit braucht. Während sie ihn krault, denkt sie über Verbesserungen ihrer Bücherlagerung nach. Im Hintergrund bellt der PC. Wieder ist eine neue E-Mail-Bestellung eines Literaturfans eingetroffen.