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Über den Tod denkt man zu Lebzeiten nicht gerne nach. Doch was passiert mit den Daten von Online-Nutzern, wenn sie verstorben sind, die eBay oder Facebook geschäftlich nutzen? Ich habe über dieses heikle Thema mit Lars Nöcker und Helmuth Hilse von der MGID Mitteldeutschen Gesellschaft für Informationssicherheit und Datenschutz mbH in Leipzig gesprochen.

Wie hochaktuell unser Beitrag ist, zeigt der Tod von Steve Jobs, dem Apple-Gründer. Viele Menschen und Medien fragen sich, was mit seinen geschätzten 8,3 Milliarden Dollar – und wohl zahlreichen Online-Konten – passiert.

 

Interview mit Lars Nöcker und Helmuth Hilse

Warum sollte man als Selbständiger und Internet-Nutzer heute über einen digitalen Nachlass nachdenken? Wann sollte man damit beginnen?

Nöcker: Ja, so ist es, über das Thema Tod denkt man nicht gerne nach. Und bei Testamenten und Nachlassregelung denkt man zu allererst an Sachgüter, nicht aber an den digitalen Nachlass. Wir empfehlen, sobald als möglich zu Lebzeiten sich Gedanken zu machen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

 

Was wäre zu tun, worauf sollte man achten?

Hilse: Ohne eine notarielle Regelung oder Vorsorge wird der Zugang zu den digitalen Daten eines Verstorbenen meist zeitaufwändig und mühsam, denn jeder einzelne Online-Dienst muss direkt kontaktiert werden. Todesurkunde und Erbschein müssen dabei sogar für US-stämmige Firmen übersetzt und beglaubigt vorgelegt werden, um etwas zu bewirken. Zum digitalen Nachlass gehören auch alle Online-Profile, die über Benutzername und Passwort erreichbar sind. Identifizieren Sie die Konten und dazugehörige Passwörter. Wer soll Daten und Passwörter im Not- oder Todesfall erhalten? Bestimmen Sie Begünstigte! Bei Online-Profilen bestimmen Sie zusätzlich, was damit geschehen soll und hinterlegen Sie eine entsprechende Anweisung an den Begünstigten. Halten Sie Daten, Passwörter und Begünstigte aktuell! Bestimmen Sie eine oder mehrere Vertrauensperson(en) und regeln Sie am besten notariell, welche Personen den Prozess der Datenvererbung auslöst.

 

Gibt es Unternehmen, die Dienste in dem Bereich anbieten, was bieten die an?

Nöcker: Ja, es gibt eine steigende Anzahl von kommerziellen Anbietern von digitaler Nachlassverwaltung. Solche Firmen verwalten für Sie die oben beschriebenen Vorgänge. Aber was passiert, wenn eine Firma erlischt? Achten Sie auf die Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Übergabe von sensiblen Daten wie z.B. Accountinformationen und Passwörtern an ein Privatunternehmen will wohl überlegt sein. Wo so viel Potenzial geballt vorkommt dürften auch kriminelle Elemente ein großes Interesse haben. Wir raten daher davon ab. Ein Testament oder notarielle Verfügung sollte hier aber immer mit in Betracht gezogen werden.

Hierzulande gibt es sogar Firmen, die eingeschickte PCs und Laptops verstorbener untersuchen und die gefundenen Daten kategorisch aufbereiten, das meist aber ohne eine durch den verstorbenen Besitzer eindeutige Regelung. Auch hier stellt sich die Frage, wie viel wir vom digitalen Leben wissen wollen und müssen. Natürlich gibt es wichtige Dokumente wie Rechnungen für das Hosting einer Website, die oft als PDF-Dokumente abgelegt werden. Die Nichtbegleichung von Rechnungen führt eventuell zum erlöschen des Anspruchs oder unbemerkt bauen sich Schulden auf, die auch vererbbar sind. Auf der anderen Seite gibt es pikante Details im digitalen Leben, ohne deren Kenntnis die Erben ein anderes Bild der verstorbenen Person bewahren würden.

 

Wie verhalten sich eBay, Amazon, Facebook oder E-Mail-Anbieter, wenn jemand stirbt? Kommt man beispielsweise als Ehefrau einfach an die Daten ran?

Hilse: Das kann unterschiedlich gehandhabt werden. Wir haben bei der eBay angefragt und konnten routiniert und umgehend aufgeklärt werden. Wenn eBay Deutschland Kenntnis über den Tod eines Mitglieds erhält, wird dessen Mitgliedskonto geschlossen. Hierzu wird eine Kopie der Sterbeurkunde per Fax oder Brief benötigt. Zusätzlich bittet man um Mitgliedsnamen – falls bekannt -, die vollständigen Adressdaten sowie die E-Mail-Adresse des verstorbenen Mitglieds. Auch vom Antragsteller wird die E-Mail-Adresse erfragt, unter der dieser im Bedarfsfall werden kann. Sind noch nicht alle Transaktionen abgeschlossen, kann man angeben, welche Auskünfte benötigt werden und wie man weiter vorgehen möchte. Die Antwort zeigt, dass man sich bei eBay tiefergehend mit dem Thema befasst hat.

Hat ein verstorbener Vielflieger Meilen bei Lufthansa Miles&More sammelt, können berechtigte Erben zwar das Konto sperren lassen, die dort angehäuften Meilen sind aber nicht übertragbar.

Wenn Facebook über den Tod eines Nutzers informiert wird und ein entsprechender Nachweis erbracht ist, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder kann das Profil gelöscht werden oder in einen Gedenkstatus (Memorial) gesetzt werden um Freunde, Bekannte und Verwandte über den Fortgang zu informieren und Ihnen die Möglichkeit zu geben, Facebook als Kondolenzbuch zu nutzen. Die Einstellungen der Privatsphäre werden auf „Nur Freunde“ gesetzt, die Profilinformationen sind eingeschränkt verfügbar. Die Pinnwandfunktion bleibt erhalten.

Das Geschäftsnetzwerk Xing hingegen stellt die Profile Verstorbener zunächst auf verborgen und löscht das Profil nach 3 Monaten, wenn auf E-Mails nicht reagiert wird. Die Passwörter selbst, bekommen Sie als Hinterbliebener nicht.

 

Können Sie Beispiele nennen?

Nöcker: Wir kennen ein Beispiel, wo den Eltern eines im Einsatz getöteten U.S: Marines der Zugang zu seinem Yahoo Email-Account verwehrt wurde. Yahoo gibt Passwörter ausschließlich an Inhaber der E-Mailkonten heraus. Hinterbliebene haben laut AGBs von Yahoo kein Anrecht auf die Daten verstorbener Angehöriger. Ist das Konto 90 Tage inaktiv, wird es gelöscht.

Lars Nöcker und Helmuth Hilse sind externe Datenschutzbeauftragte (eDSB) der MGID Mitteldeutschen Gesellschaft für Informationssicherheit und Datenschutz mbH in Leipzig. Sie unterstützen und beraten Unternehmen und Organisationen bei der Umsetzung der Anforderungen aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).