Im Geschäftsalltag sind wir auf die großen Telekommunikations- und Internetunternehmen – wie die Deutsche Telekom – angewiesen. Kommt es zu Problemen, rufen wir die Hotline an: Genervt von der Telefonwarteschleife, manchmal schlecht ausgebildeten oder hilflosen Kundenbetreuern in den extern angemieteten Call Centern, gibt so mancher Kunde auf – und macht seinem Ärger im Internet Luft. Ob in Blogs, bei Twitter, in Social Networks wie Facebook – oder halt in klassischen Online-Foren. Das Problem für die Konzerne: Die meisten Informationen bleiben gespeichert – und sind selbst nach Jahren noch auffindbar. Wie reagieren große Konzerne auf öffentliche Kundenanfragen oder -beschwerden, beispielsweise bei Twitter?
Ich sprach mit Oliver Nissen, dem Leiter des Kompetenzcenters Kiel der Deutschen Telekom AG, über die Twitter– und Facebook-Aktivitäten der Telekom. Wie geht das Social-Media-Team mit Beleidigungen um, werden Kunden geduzt oder ist das Team direkt dem Vorstand unterstellt? Welche Vorteile haben Selbständige, wenn sie das Twitter-Team in Anspruch nehmen?
Wie lange exisitiert das Twitter-Team der Deutschen Telekom, Telekom_Hilft, wie und warum ist es entstanden – vom Vorstand ausgehend? Oder wegen des Social Media Hypes?
Oliver Nissen: Telekom_hilft bei Twitter wurde im Mai 2010 und Facebook im September 2010 eingeführt. Wir sind bewusst mit Telekom_hilft auf Twitter gestartet, um die Erfahrungen im Umgang mit den Kunden im Social Web zu sammeln, um diese dann auch auf Facebook einzusetzen. Mit Telekom_hilft wollten wir einen weiteren Service-Kanal schaffen, um den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden. Auch unsere Kunden kommunizieren in sozialen Netzwerken. Wir wollen Ihnen dort begegnen, wo sie sind: Im Internet, gerade als großes Telekommunikationsunternehmen.
Wie viele Mitarbeiter waren anfangs, wie viele sind heute dafür tätig?
Oliver Nissen: Begonnen haben wir mit sieben Kollegen und Kolleginnen in unserem Twitter-Team. Bei Facebook kamen zum Start weitere zwölf hinzu. Mittlerweile sprechen in zwei Teams insgesamt 30 Kollegen und Kolleginnen mit unseren Kunden. Dabei bedient jeder Mitarbeiter jeden unserer Kommunikationskanäle.
Gibt es Verzahnungen, beispielsweise zu Facebook, Xing, Linkedin etc.?
Oliver Nissen: Wir verlinken aktuell vorrangig auf unsere Serviceseite.
Wie vielen Kunden konnten Sie bisher helfen?
Oliver Nissen: Durch die Art der Prozesse zur Bearbeitung von Kundenanfragen ist es schwierig, valide Statistiken zu erstellen. Die Anliegen unserer Kunden können wir meistens nur mittels ihrer Kundendaten bearbeiten. Aus Datenschutzgründen werden diese ausschließlich per E-Mail im direkten Dialog angefordert. Durch diese Vorgehensweise und die anschließende Bearbeitung in unserem System, ist eine verlässliche Auswertung derzeit noch nicht möglich.
Welche Rolle spielen Selbständige bei Telekom_hilft?
Oliver Nissen: In der Konzeption- und der Aufbauphase sowie Ausbildung der Kolleginnen und Kollegen von Telekom_hilft war es wichtig, einen erfahrenen Sparringspartner zu haben, um Vorgehensweisen im Umgang mit den neuen Medien zu erproben.
Was war Ihr härtester, längster Fall, was war passiert?
Oliver Nissen: Ein Härtefall, den wir lösen und den Kunden wieder zufriedenstellen konnten:
Der Kunde beschwerte sich im Juni über die Verzögerungen bei der Bereitstellung seines Neuanschlusses, da der Bereitstellungstermin nicht eingehalten wurde und versprochene Rückrufe nicht erfolgt seien. Als dann schließlich der Auftrag endlich ausgeführt wurde, waren falsche Konditionen, die falsche Leitung und die falschen Rufnummern beauftragt. Außerdem wurde der Anschluss auch noch doppelt berechnet.
O -Ton Kunde:
„Ich habe alles dokumentiert ( Gespräch – Mail – Namen – Datum – Aussagen ) diese Daten werde ich der Presse zur Verfügung stellen, damit die Öffentlichkeit erfährt, was die Telekom für ein „Sauhaufen“ ist und damit zukünftige Kunden wissen, auf was sie sich einlassen.“
Dann ging allerdings tatsächlich alles ganz schnell, am 13.09. waren die Rufnummern bereinigt, am 19.09. hatte er die passende Leitung bekommen (und die gleich noch ein bisschen günstiger).
Die Reaktion des Kunden:
„Vielen Dank, das sind super Nachrichten. Schaltung am Montag und noch jeden Monat 5 Euro gespart. Auf Sie kann man sich doch verlassen. Vielen Dank auch, dass Sie gestern für mich Überstunden eingelegt haben, hatte gestern als ich die letzte Mail von Ihnen gelesen habe, schon ein schlechtes Gewissen bekommen. Besten Dank.“
Zitat der betreuenden Kollegin: „Was tut man nicht alles – Presse und Anwalt, mit denen er per E-Mail und auch am Telefon schon drohte, lässt er zukünftig links liegen. Dafür ist er glücklich, vor allem darüber, einen persönlichen Ansprechpartner in solchen Dingen zu haben.“
Wie lösen Sie Probleme im Konzernalltag, welche Befugnisse hat das Team – abteilungsübergreifend? Wem ist es unterstellt? Der Pressestelle oder direkt dem Vorstand?
Oliver Nissen: Unser Telekom_hilft Team ist an den Kundenservice angebunden und hat die gleichen Befugnisse, entsprechend der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den anderen Servicekanälen.
Wie geht das Team mit Beleidigungen und Angriffen bei Twitter um?
Oliver Nissen: Vorab: Es kommt sehr selten zu unsachlichen Aussagen gegenüber Telekom_hilft Mitarbeitern. Ist es doch der Fall, werden unsachliche Äußerungen in aller Regel von anderen Usern gekontert. Andernfalls verweisen wir auf unsere Netiquette auf Facebook, die einige Grundregeln der Kommunikation aufgreifen.
Welche Ausbildungen haben die Teammitglieder? Psychologische oder ….?
Oliver Nissen: Unsere Teammitglieder sind in unseren Produkten und internen Prozessen sehr gut ausgebildete Mitarbeiter des Kundenservice. Eine psychologische Ausbildung war bisher nicht erforderlich, viel wichtiger ist die Freude am Dialog mit Menschen, ein bewahrter Blick für das Individuum und die Überzeugung, richtig guten Kundenservice leisten zu können und zu wollen.
Wie nehmen die Kunden das quasi „Du“ bzw. die Vornamen in den E-Mails auf?
Oliver Nissen: Wir duzen auf Twitter ausschließlich reaktiv. Erst wenn der Kunde uns duzt („Wann habt ihr denn das iPhone4 in weiß?“), duzen wir auch. Außergewöhnlicher sind die Momente, wenn Kunden angerufen werden, deren Rufnummer wir via Email erhalten haben und mit denen wir uns auf Twitter geduzt haben. In diesen Fällen ist die erste Frage unserer Kundenberater, ob es auch am Telefon beim „Du“ bleiben soll.
Ist Telekom_hilft die „Kundenbetreuung 2.0“? Welche Rolle spielen dann die Call Center noch, zu denen viele Kunden ihr Vertrauen verloren haben? War Telekom_hilft die Reaktion auf den vor etwa zwei Jahren bekannt gewordenen Skandal, dass mehr als 10.000 Kundenbeschwerden einfach im Papierkorb gelandet sind?
Oliver Nissen: Telekom_hilft ist das erweiterte Service-Angebot 2.0 für unsere Kunden. Der Kunde entscheidet, über welchen Kanal er den Kontakt zu uns sucht.
Wir ergänzen uns mit den Kolleginnen und Kollegen in den Call Centern und unterstützen uns gegenseitig, somit leben wir One Company und das spüren auch unsere Kunden.
]In einer Powerpoint-Präsentation verrät uns die Deutsche Telekom noch ein wenig mehr über ihre Social-Media-Strategie.
PS: Das Telekom-hilft-Team arbeitet im übrigen mit Cotweet.