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Sie verdienen viel Geld, manche schlafen bis mittags, sie sind zufrieden mit ihrer Arbeit, stehen gesundheitlich besser da als Angestellte, sind unzuverlässig, da zu klein – und was die können, kann ich – als Auftraggeber – ohnehin selber viel besser. Einige Irrtümer über Freiberufler, die sicherlich auch für die kleineren der insgesamt 4,4 Millionen Selbständigen in Deutschland gelten…Freiberufler und Selbständige verdienen viel Geld.

Was für manche Architekten, Ärzte oder Anwälte gilt, ist lange kein allgemein gültiger Maßstab. Viele kleine Selbständige leben am Existenzminimum. Nach einer Untersuchung der Universität Hamburg unter Freiberuflern verdient ein Großteil der Befragten im Jahr weniger als 15.000 Euro (47% der Frauen, 39% der Männer).

Freiberufler und Selbständige können ruhig mal auf ihr Geld warten.

Manche – zumeist angestellte – Auftraggeber sind der Meinung: „Ach, die Rechnung vom Freiberufler kann ruhig mal liegen bleiben, ist ja nicht so dringend“. Oder: „Erledige ich nach meinem Urlaub“. Freiberufler, die „fest-frei“ für einen Auftraggeber arbeiten, sind wie externe Angestellte, nur ohne Sozialabgaben, ohne bezahlten Urlaub, ohne bezahlte Arbeitsmittel. Ihre Kosten laufen weiter, auch wenn sie auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten müssen. PS: Muss ein Angestellter in einem soliden und seriösen Unternehmen jeden zweiten Monat am 5. oder 10. eines Monats nachfragen, wo sein Gehalt bleibt?

Freiberufler schlafen lange, fahren oft in Urlaub und haben viel Zeit.

Wenn Angestellte in Urlaub fahren oder sich an Wochenenden oder Feiertagen erholen, bleibt den Freiberuflern und kleineren Selbständigen Zeit, ihre Ablage zu machen, vielleicht die Steuererklärung oder das nächste Angebot zu kalkulieren. Nach der oben genannten Studie der Universität Hamburg arbeiten Freiberufler etwa 45 bis 65 Stunden wöchentlich, 15 Prozent gaben an, mehr als 65 Stunden zu arbeiten.

PS: Wenn ein Freiberufler oder Solo-Selbständiger in Urlaub fährt, laufen die Kosten weiter, die Einnahmen nicht (ausgenommen und nur unter Umständen: die Lizenzgebühren für Künstler wie Fotografen, Schriftsteller, Journalisten, Musiker, usw.).

Freiberufler und Selbständige zocken den Staat ab.

Seit 2007 stieg die Anzahl der kleinen Selbständigen, die von den Jobcentern eine so genannte Aufstockung zu ihrem Einkommen – also Sozialleistungen vom Staat ( „Hartz-IV“) – beziehen, von 72.000 auf mehr als 125.000 an. Zu den Leistungsempfängern gehören unter anderem Einzelhändler, Dienstleister, Künstler, aber auch Rechtsanwälte.

Nach Auffassung mancher Vorstandsmanager der Bundesanstalt für Arbeit sowie den Sachbearbeitern in den Jobcentern und in der Bevölkerung sind es gerade die Unternehmer mit Villa und Porsche, die den Antrag auf Sozialleistungen stellen, um den Staat abzuzocken. Oder, falls nicht, gelten diese Selbständigen schlichtweg als unfähig – was ja durchaus für manche Existenzgründer oder Dauerversager gelten mag. Ein verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit, denn die Anzahl der Abzocker liegt gerade mal im Promillbereich. Nur lassen sich solche Aufreger-Stories vom Abzocker dem unwissenden Leser eben besser verkaufen. Als Medium, wie BILD oder Süddeutsche Zeitung, um die Auflage zu steigern oder zu halten. Oder als Politiker, um – populistisch – die nächste Wahl zu gewinnen.

PS: dass ein Selbständiger sich sein Einkommen zur „Aufstockung“ schön rechnen darf, ist ein weit verbreiteter Irrtum, auch unter Journalisten. Für Selbständige gilt seit 1.1.2008 eine eigene Verordnung, nicht die Steuergesetzgebung. So sind beispielsweise Abschreibungen, Bewirtungskosten und andere Posten bei der Abrechnung mit den Jobcentern (vormals: ARGE) ausgenommen. Wer als Dienstleister ordentliche Rechnungen stellt und sein Honorar per Banküberweisung erhält, kann praktisch nicht betrügen: er muss den staatlichen Sachbearbeitern Einblick in alle Kontoauszüge geben. Die Sachbearbeiter können auch selbständig per PC in den Konten der Leistungsempfänger schnüffeln.

Freiberufler leben gesünder als Angestellte.

Aufgrund der Dauerverfügbarkeit, vor allem bei Krankheit, der fehlenden Planungssicherheit für die eigene Zukunft, stehen Freiberufler und kleinere Selbständige unter Dauerstress. Burnout, körperliche und psychische Probleme sind keine Seltenheit, eher bei den meisten Standard. Beispielsweise zeigte eine Studie der Universität Dortmund über das Arbeitsleben der freien IT-Dienstleister, dass die Mehrzahl körperliche und psychische Probleme hat. „Die IT-Branche ist nur eine Beispielsbranche“, meint Studienleiter Rüdiger Klatt von der TU-Dortmund gegenüber pressetext. „65 Prozent der Alleinselbstständigen klagen über vermutlich arbeitsbedingte Muskel- und Skelettbeschwerden im vergangenen Jahr, 52 Prozent über psychische Probleme“, erläutert Klatt die Untersuchung. „Das heißt auch, dass die Betroffenen in den Krankenkassenstatistiken nicht auftauchen, da sie weiter arbeiten, auch wenn es ihnen nicht gut geht.“

PS: Was für den Urlaub gilt, betrifft auch die Krankenzeiten: Die Fix-Kosten fallen weiter an, die Einnahmen liegen bei 0 Euro.

Was Selbständige können, kann ich als Auftraggeber auch.

In meinem unternehmerischen Umfeld kommen manche Kunden auf die Idee: Ach, die Grafik kann ich mit Photoshop auch selbst machen, die Pressetexte ebenso. Und die Fotos dazu sowieso. Wer glaubt, es selber machen zu können, wird sich beispielsweise spätestens beim Druck eines Flyers wundern, warum die Farben so anders aussehen als am Bildschirm oder die selbst geschriebenen Texte keiner verstehen mag. Nach meiner Erfahrung zahlen diese Kunden stets ihr Lehrgeld, stehen später reumütig auf der Matte – und besinnen sich endlich wieder auf Qualität statt auf „Geiz ist geil“.

Freiberufler sind zu unsicher und zu teuer.

Manche Auftraggeber verlassen sich lieber auf Agenturen, auf GmbHs und klangvolle Namen. Die seien zuverlässiger und halten Termine, sagen sie. Die Auftraggeber. Stimmt manchmal sogar! Es wird auch immer Agenturen geben, die es noch ein paar Euro preiswerter machen und damit manche Kunden überzeugen können. Einige Agenturen arbeiten selber mit Freiberuflern, nutzen deren Situation schamlos aus (vor allem in Ostdeutschland), drücken sie im Preis und vermieten sie quasi mit Aufpreis an Auftraggeber. Andere Agenturen arbeiten mit Praktikanten und schlecht bezahlten Berufsanfängern oder Minijobbern. Dementsprechend ist auch die Qualität ihrer Arbeiten. Da kann man es doch lieber selbst machen – oder einen Freiberufler direkt beauftragen. Und auf gute Qualität auch mal ein oder zwei Tage länger warten 🙂