An meinem fünften Tag im Coworking Space Erfurt unterhalte ich mich mit Ralf Reschka. Er arbeitet als Angestellter eines Unternehmens im Coworking Space und nutzt ein eigenes Büro. Ralf Reschka ist Assistent des Vorstands der BigMove AG, einem Netzwerk von Spezialtransportunternehmen. Er hat projekt- und firmenübergreifende Aufgaben, kann sich hier kreativ frei entfalten und neue Ideen entwickeln, frei von unternehmensinternen Zwängen.
Coworking – Nicht nur für Freiberufler und Selbständige
Ralf Reschkas Tätigkeit in einem Coworking Space hat Vorbildcharakter für mittelständische und große Unternehmen, die verstärkt neugierig geworden sind. Die BOSCH AG wollte sich gleich mit dreißig Projektmitarbeitern einen kreativen Tag im Stuttgarter Coworking Space einrichten, auch im Betahaus Hamburg und bei anderen Spaces gab es bereits erste Anfragen von Firmen.
Problem für Unternehmen: Kontrollverlust und Firmengeheimnisse
Die meisten Unternehmen tun sich mit Coworking noch schwer: Angst vor Verletzung von Firmengeheimnissen und mangelnde Kontrolle erschweren den Entwicklungsprozess. Dieses Verhalten zeigt allerdings auch, dass sich viele Unternehmen noch nicht an neue Kulturen und Geschäftsprozesse mit ergebnisorientiertem Arbeiten angepasst haben. Ich frage mich, wie Chefs ihre Mitarbeiter im Unternehmensalltag überhaupt kontrollieren. Stehen sie hinter dem Rücken ihrer Mitarbeiter? Schauen sie jede Viertelstunde auf den PC-Bildschirm? Reicht alleine die Anwesenheit aus, um zu wissen, dass ein Mitarbeiter produktiv ist?
Andererseits könnten die Betreiber der Coworking Spaces, die ursprünglich einmal für Freiberufler und kleinere Selbständige vorgesehen waren, mit Firmenangestellten zu einer Vollauslastung kommen. Vorausgesetzt, sie erfüllen einige Bedingungen, beispielsweise abschließbare Räume, Besprechungsraum, Präsentationsmöglichkeit wie Beamer mit Projektionsfläche.
Das Interview
Wie bist Du zum Coworking gekommen?
Ralf Reschka: Über eine Radioreportage habe ich von Coworking gehört und über das Internet erfahren, dass es in Erfurt einen Coworking Place gibt. Ich habe in Erfurt studiert, möchte hier sesshaft werden und in Thüringen Wurzeln schlagen. Zuvor hatte ich meinen Arbeitsplatz bei verschiedenen BigMove-Speditionen vor Ort und nun ermöglicht mir mein Arbeitgeber ein eigenes Büro, weil die Rahmenbedingungen passen und die Infrastruktur im Coworking Place gegeben sind.
Was meinte Dein Arbeitgeber zur Idee des Coworking?
Ralf Reschka: Mein Arbeitgeber war von Anfang an der Idee gegenüber aufgeschlossen und profitiert auch davon. Persönlich wollte ich keinen Arbeitsplatz in einem Home Office. Die Zusammenarbeit und der Wissensaustausch im Coworking Place macht viel Spaß. Man hat Einblicke in andere Arbeitsweisen und Branchen und meine ersten Erfolge konnte ich auch bereits verzeichnen. Durch den Wissensaustausch und die Hilfe anderer Coworker konnte ich schon grundlegende Prozesse in meinem Arbeitsalltag verbessern.
Wie kann Dein Arbeitgeber Deine Arbeit kontrollieren?
Ralf Reschka: Für meine Arbeit benötige ich meinen Notebook, ein Telefon und eine gute Internetverbindung. Meine Aufgaben sind prozessorientiert und basieren größtenteils auf E-Mails und Dokumentenerstellung. Alle was von mir erarbeitet wird, sende ich entweder meinen Kollegen direkt zu oder stelle die Informationen über unser eigenes Internet-Forum allen Speditionen zur Verfügung. So ist meine Arbeit transparent und für alle Speditionen im Netzwerk sichtbar.
Was ist das Ziel des Coworking in Erfurt? Wird es weiter ausgebaut?
Ralf Reschka: Im Sommer erhalte ich in Erfurt Verstärkung mit einem Studenten, der sein Praxissemester absolviert und seine Abschlussarbeit für BigMove erstellt. Gemeinsam können wir so von Erfurt aus alle BigMove-Speditionen in Deutschland und Österreich betreuen. Dementsprechend bietet uns das eigene Büro im Coworking-Haus die besten Möglichkeiten zusammen zu arbeiten und flexibel zu reagieren, wenn wir mal einige Tage bei einer Spedition hier vor Ort sind.
Der Arbeitgeber: BigMove AG
Die BigMove AG mit Sitz in Garching bei München ist ein Netzwerk von 11 Spezialtransportunternehmen aus Deutschland und Österreich mit insgesamt 450 Mitarbeitern, 220 Zugmaschinen und 400 Spezialaufliegern. Das Netzwerk erwirtschaftet einen Umsatz von etwa 100 Millionen Euro.
Der Angestellte: Ralf Reschka
Der 30-Jährige Wirtschaftsingenieur ist Assistent des Vorstands und arbeitet als Coworker in Erfurt. Reschka studierte Verkehr- und Transportwesen in Erfurt und schloss 2007 mit einem Diplom ab. Er ist seit 2008 im Unternehmen, arbeitete bisher an den Unternehmensstandorten Garching, Offenburg und Leuna. Zu seinen Aufgaben zählen heute unter anderem: Koordination zwischen den 11 Netzwerkpartnern, Marketingstrategieentwicklung sowie Projektmanagement bei Neuinvestitionen.