Zahlen Sie eigentlich immer das, was auf einem Preisschild oder in einem Dienstleistungsangebot steht? An meinem vierten Tag im Coworking Space Erfurt beschäftigt mich freies handeln und feilschen um Preise.
Dieses kleine Reklame-Mousepad, das mir Robert für meinen Aufenthalt leiht, hat es mir angetan: es ist sehr klein, millimeterdünn, absolut rutschfest – was ich bei teuren Mousepads für zirka 20 bis 30 Euro bisher vermisst habe. Ich will es unbedingt haben und frage, ob ich es mitnehmen darf. „Es ist aber das einzige Mousepad, was wir an Gäste verleihen können. Außerdem war es eine Beigabe bei einem PC-Neukauf“, meint Robert. „Wieviel?“, möchte ich wissen. „Na, ich weiß nicht … nicht so gerne“, entgegnet der junge Geschäftsmann, Spezialist für Cloud Computing und webbasierte Datenintegration sowie Buchautor.
Geiz ist nicht geil
Seit 8. Juli 2004 herrscht mit dem neuen Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb in Deutschland grundsätzlich Handels- und Rabattfreiheit, der Sommerschlussverkauf (SSV) wurde damit abgeschafft. Doch tun wir Deutschen uns offenbar schwer damit, wie ich immer wieder in Läden, bei Handwerkern, Kaufhäusern und bei großen Discountern wie Saturn oder Mediamarkt entdecke. Wir trauen uns nicht, nutzen dann lieber Plattformen wie myhammer.de, um die Handwerker bis auf die Unterhose auszuziehen und die Preise kaputt zu machen, Motto: „Geiz ist geil“. Aber persönlich und vis-a-vis im Dialog bekommen wir den Mund nicht auf.
Ich finde Geiz überhaupt nicht geil, im Gegenteil, aber ich habe Freude am freien Handel, ohne in eine Basarmentalität zu verfallen. Handwerker, Kaufleute und Dienstleister brauchen ihre Marge, um leben, um überleben zu können. Aber wenn sie nicht in der Lage sind, ihre Preise entsprechend – für freies Handeln – zu kalkulieren oder keinen Service-Trumpf im Ärmel haben, sind sie selber dafür verantwortlich. Ob mein neues Sakko, das ich für 180 statt 210 Euro kaufe, mein vom Tischler gefertigter Schreibtisch, den ich für 230 statt 250 Euro ergattere – ich handele grundsätzlich. Es ist für mich ein austesten, spielen, ein lernen für meine eigene Preisbildung. Ich bekomme so ein Gefühl für Preise.
„Das Mousepad würde gut in meinen Notebook-Rucksack passen. Ich lege etwas Geld in die Kaffeekasse“, schlage ich Robert vor. Er überlegt nicht mehr lange: „Okay“. Ein kurzer und schmerzloser Deal. Es geht um wenig, gewiss. Nur ein kleines Beispiel für freien Handel. Vor mir liegt das neue Mousepad – und ein paar Euro mehr in der Getränkekasse des Erfurter Coworking Space.
Wer üben möchte, kann bei Online-Spielen wie „Rune Scape“ anfangen.
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