Liebe lohnt sich. Ich arbeite gerne viel: meine Familie oder mein Partner ist es mir wert. Man gönnt sich ja sonst nichts. Kann sich ein Unternehmer oder Freiberufler Liebe überhaupt leisten?
Heute arbeite ich den dritten Tag im Coworking Space in Erfurt – und heute ist internationaler Weltfrauentag, der sein hundertjähriges Bestehen feiert. In Deutschland einst ein Relikt der DDR, fand der Weltfrauentag nach der Wende auch schnell Anklang in den alten Bundesländern. Dort galt er lange Zeit nur als Feiertag für Emanzen. Ein Anlass, mich dem Thema „Partnerschaft und Selbständigkeit“ zu widmen, insbesondere für Männer.
PS: Heute ist eher mein philosophischer Tag!
„Alle sind hier nur am trinken und laufen in albernen Kostümen rum. Dieser Weltfrauentag ist schlimm“.
Männlicher Foursquare-Nutzer vom Münchner Marienplatz, heute, 11:42 Uhr
Selbständige und ihre Beziehungsbilanzen
Wenn ich mich mit befreundeten Unternehmern und Freiberuflern manchmal unterhalte, kommt es mir oft vor, als wäre ihre Beziehung oder Familie wie eine Bilanz in der Buchhaltung, eine Liquiditätsrechnung oder Preiskalkulation. Soll oder Haben. Positiver oder negativer Cash Flow. Geben und Nehmen. Und, stimmt die Marge überhaupt?
Wir Selbständigen neigen dazu, unseren Beruf manchmal mehr zu lieben, als die, die uns lieben. Irgendwann werden aber Partnerin, Kinder oder Freunde unsere Ausreden wie „leider keine Zeit“ oder unseren Begriff von „Wertigkeit“ nicht mehr verstehen wollen. Sie verlassen uns – wie ein „Abschreibegut“. Nach nicht einmal drei Jahren.
An der Börse in die Liebe investieren?
Alleine und verlassen sitzen wir dann da, jammern und schimpfen – wie nach einem schlechten Steuerbescheid vom Finanzamt. Suchen vielleicht Trost – wie rund 17 Millionen andere Singles – in einer der zahlreichen Internet-Dating-Plattformen wie Parship, Elitepartner oder der kostenlosen Single-Börse Finya. Das Wort Börse trifft es gut. Wir sind da gelandet, wo wir kurz zuvor aufgehört hatten: beim investieren, beim einkaufen und verkaufen.
Für im aufkeimenden Frühling frisch Verliebte und Paare in eingefahrenen Beziehungen nutze ich den Weltfrauentag mal für einige Anregungen zur liebevollen Partnerschaft für Fortgeschrittene … nicht nur für Unternehmer und Freiberufler.
5 Tipps, die zwar nicht unbedingt helfen, aber vielleicht anregen
Rollentausch. Geschlechtertausch. Wer einmal wissen möchte, wie sich der Partner oder die Partnerin fühlt, tauscht mal die Rollen. Gewiss, es klingt einfach: Mann kocht, macht sauber, Frau … – und da sind wir wieder bei den Klischees, die zeigen, wie wenig wir wirklich voneinander wissen. Wozu müssen wir Rollen spielen? Fühlen wir uns nicht dort am wohlsten, wo wir sein können, wie wir sind? Ein Rollenspiel beziehungsweise Geschlechtertausch hält die Beziehung lebendig, hinterfragt überholte Klischees und kann zu Veränderungen führen.
Arbeit mitnehmen statt reine Wochenendbeziehung. Im mobilen Internet- und Single-Zeitalter lernen sich viele Menschen auf Online-Dating-Plattformen kennen. Oft trennen sie dabei mehrere hundert Kilometer, was schnell in einer Wochenendbeziehung ausartet. Vom Ort unabhängige Dienstleister wie Anwälte, Designer, Journalisten, PR- und Marketingfachleute können ihre Arbeit in die Nähe der Geliebten mitnehmen. In eine der 40 bis 60 deutschen Coworking Spaces, die inzwischen flächendeckend vorhanden sind. Aber nicht nur klassische Freiberufler. Ob Handwerker, Therapeuten oder Apotheker: alle müssen sich mal den Abrechnungen und sonstigem Papierkram widmen. Alles eine Frage der Arbeitsorganisation.
‚Du‘ und ‚Ich‘ statt ‚Wir‘: Wir sind es von früher vielleicht gewohnt, uns emotional oder finanziell schnell in abhängige Beziehungen zu begeben und unsere Unabhängigkeit aufzugeben, auch wenn wir das nicht bewusst wahrnehmen. Wir sprechen von „gemeinsam Interessen finden“ statt „eigene Interessen verbinden“. So mancher braucht einen Partner, um zu joggen, andere um ins Theater zu gehen. Wie wäre es damit, mal zu schauen, welche Stärken und Interessen jeder hat und wo eine gemeinsame Schnittmenge zu finden ist (Mengenlehre lässt grüßen)? Vielleicht engagieren sich zwei Partner bei einem neuen, sozialen Projekt, finden eine andere Sportart oder ein Ziel, das beide noch nicht wollten – eine Schnittmenge aus ihren Stärken statt aus ihrem Wunschdenken?
Zuhören statt überreden. In sich hören statt vorwerfen. Viele Beziehungen scheitern an unnötigen Machtkämpfen und altem Beziehungsschmerz, der von einer Beziehung in die nächste getragen wird. Viele haben das Zuhören verlernt. Dem Partner und sich selbst. Es wird überredet aus egoistischen Gründen, statt dem Partner seine Wünsche zu erfüllen. Die müssen wir erst einmal ergründen. Und das geht nur mit zuhören, manchmal nur „zwischen den Zeilen“. Ebenso uns selbst, wenn wir dem Partner unnötige Vorwürfe machen, die sich eigentlich an den oder die „Ex“ richten.
Erwartungen senken. Leben statt planen. Beziehungsalltag ist im Grunde langweilig. Und ein „Ja“ zur Partnerschaft nur eine einfache Entscheidung. Frisch verliebte, reifere Paare, die keine Kinder mehr haben möchten, tun sich damit schwer. Binnen drei Monaten entscheidet sich, ob aus den bekannten Schmetterlingen im Bauch mehr wird – eine feste Beziehung oder „und tschüss“. Manche halten aber eher an einer verkrampften Beziehung fest, statt die schöne Zeit zuvor in Erinnerung zu behalten und liebevoll „lebe wohl“ zu sagen. Wer weniger im Kopf erwartet, bekommt mehr, wenn er aktiv – mit Herz und Bauch – lebt und liebt.
Eine Liebe zu einem Partner ist eben nicht viel anders als die Liebe zu unserem Beruf und unserer Selbständigkeit… täglich anders, herausfordernd, spannend – und im Laufe der Jahre mit immer mehr Gelassenheit.