Die CeBIT 2011 wird vor allem von zwei Themen beherrscht: Cloud Computing und Tablet-PCs. Alleine 80 neue Modelle wurden Anfang Januar auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellt. Diese neue Generation mit berührungsempfindlichen Bildschirm, von Apple zunächst mit dem iPhone, dann im Mai 2010 mit dem iPad eingeleitet, wird, so die These, den klassischen Desktop-PC aus den Firmen vertreiben. Für den optimalen Business-Betrieb gibt es zahlreiche Ergänzungen, zum Beispiel eine faltbare Gummi-Tastatur mit USB-Anschluss – oder Kombinationen aus Notebook und Tablet-PCs, die auch als „Media Tablets“ bezeichnet werden. Ich habe daher mit dem Technikenthusiasten Sascha Pallenberg gesprochen, der unter Netbooknews.com live von der CES gebloggt hat. Der gebürtige Dortmunder mit Sitz in Taipeh ist anerkannter Experte für Mobile Computing. Zeitschriften bezeichnen ihn gar als den „Netbook-Papst“, das TIME Magazine interviewte ihn ebenfalls. Sein Rat an Unternehmer: Mit dem Kauf eines Tablet-PC bis Ende 2011 warten.
Verschwinden mit der neuen Generation der Tablet-PCs die klassischen Netbooks und Notebooks vom Markt?
Das so genannte Clamshell-Design behauptet sich seit 26 Jahren am Markt. Tablets kannibalisieren diese Plattformen nur zu einem geringen Teil, denn es sind letztendlich zusätzliche Systeme, welche die Kunden kaufen, die bereits ein Net- oder Notebook haben. Die aktuellen Vorhersagen für 2011 gehen von einem stabilen Net- und Notebook-Markt aus.
Auf der CES wurden 80 neue Tablets vorgestellt, wobei es die Technologie ja schon eine Weile gibt. Was ist das wirklich Neue an den Geräten?
Das ist völlig richtig. Tablets sind weit über 10 Jahre alt, haben sich bisher aber nur in den vertikalen Märkten abgespielt. Apple hat den Markt für den Endkunden reanimiert und mit dem iPad, sowie der kompletten Infrastruktur einen riesigen Hype losgetreten. Im Grunde genommen gibt es nicht viel neues zu verkünden, das Konzept eines Tablets hat sich nicht verändert, seit Microsoft Anfang des Jahrtausends die große Tablet-PC Offensive ankündigte. Inzwischen haben wir jedoch weitaus effizientere mobile Prozessoren, die längere Akkulaufzeiten und mehr Performance bieten. Die Betriebssysteme iOS, Android, aber auch Tablet OS von RIM, sowie HPs webOS bieten Oberflächen die speziell für Systeme ohne physikalische Tastatur entwickelt wurden. Dies fehlte bei der ersten Windows-Tablet-Welle vor 10 Jahren, als man meinte 1:1-Desktop-Anwendungen auf den Tablet-Formfaktor zu übertragen.
Welches sind Ihre Top-Tablet-PCs? Wann kommen diese nach Deutschland und was werden sie kosten?
Ich bin inzwischen recht konservativ in meinen Einschätzungen geworden und werde nicht das Motorola Xoom nennen, welches von der vermeintlichen Fachpresse zum Star der CES gekürt wurde. Generell erlaube ich mir kein Urteil über ein System, welches nur einen Videoclip abspielt. Dennoch kenne ich die Hardware des Tablets und diese hat Potential. Auch wird Android 3.0 einen gewissen Benchmark für zukünftige Tablets setzen. Ich persönlich setze große Hoffnungen in das Blackberry PlayBook, welches in meinen Augen das potenteste Betriebssystem für Tablets hat. Für zirka 500 Euro dürfte es im zweiten Quartal verfügbar sein. HP wird am 9. Februar seine neuen webOS Tablets in den USA vorstellen, die ebenfalls in diesem Preisbereich liegen werden. LG kommt mit dem G-Slate raus, welches die gleiche Hardware-Plattform wie das Xoom Tablet aufweist.
Welche drei Betriebssysteme sind nach Ihrer Ansicht am besten im Business-Bereich für Tablets geeignet?
Hier gibt es zur Zeit wohl nur zwei Kandidaten: Zum einen Windows-Tablets, aufgrund der Kompatibilität mit bekannten Desktop-Anwendungen und dann Tablet OS, welches von der durch RIM aquirierten Firma QNX entwickelt wurde. RIM wird als einziger Hersteller voll auf den Business-Kunden setzen.
Was halten Sie vom iPad für Business-Anwendungen?
Keine Tablet Plattform bietet so viele Softwarelösungen und Apps wie das iPad. Es gibt auch für den Business-Anwender zahlreiche, passende Programme und besonders in den USA statten immer mehr Firmen ihre Mitarbeiter mit iPads aus. Ich sehe jedoch auch Nachteile und diese treffen besonders Kunden, die es gewöhnt sind „Rund-um-Sorglos“-Pakete eines IT-Dienstleisters einzukaufen. Apple bietet hier für noch keine Infrastruktur an. Remote-Support, Secure Corporate IPs… es gibt einige Dinge, die das iPad einfach nicht bietet.
Müssen Unternehmen heute mehrere PC haben? Desktop, Notebook, Tablets, Smartphone? Wovon hängt das nach Ihrer Ansicht ab?
Der Desktop hat in Unternehmen über kurz oder lang ausgedient. Notebooks ersetzen diese Systeme immer häufiger. Ähnlich sieht es bei den Smartphones aus, die aktuelle Mobiltelefone in den nächsten Jahren komplett ersetzen werden. Tablets werden nur ein weiteres System sein, welches wir für gewisse Anwendungsszenarien im Businessumfeld einsetzen. Stellen sie sich einen Architekten vor, der auf seinem Tablet (aber auch Smartphone) virtuelle Gebäude präsentieren kann, diese „just in time“ anpasst und seinen Kunden zeigt. Der komplette Berechnungsprozess wird in die „Cloud“ ausgelagert. Dies ist bereits heute machbar und entsprechende Lösungen sind u.a. von NVIDIA im Einsatz. Unternehmen werden sich immer wieder neuen Technologien öffnen, wenn sie denn effizienteres und ortsunabhängigeres Arbeiten ermöglichen. 2011 wird auch für Unternehmen das Jahr sein, in dem die mobile Revolution die Mitarbeiter erreicht.
Gibt es nach Ihrer Ansicht schon brauchbare, deutsche Business Apps für Tablets? Wenn ja, können Sie ein Beispiel nennen?
Hierzu eine allgemeingültige Antwort zu geben, ist nahezu unmöglich angesichts von über einer halben Million Apps für iPad und Android-Tablets. Kalender und Kontaktverwaltungen sind bereits vorinstalliert, so dass es auf das individuelle Anwendungsgebiet des Users ankommt, wenn es um weitere App-Empfehlungen geht. Als simples Beispiel möchte ich hier Evernote nennen, mit dem ich persönlich Notizen und Sprachmemos über verschiedene Plattformen hinweg synchroniziere. Es gibt sicherlich hunderte passende Business-Apps, eine spezielle Empfehlung ist einfach unmöglich.
Ist ein Tablet auch als Telefon geeignet? Für Android-Smartphone gibt es beispielsweise Apps, die als Taschenlampe, Wasserwaage oder Metalldetektor agieren. Entwickeln sich die mobilen Geräte zum „Schweizer Taschenmesser“?
Es kommt auf den Formfaktor an und inwiefern es mit einem UMTS-Modul ausgestattet ist. Samsung Galaxy Tab und Viewsonic Viewpad 7 bieten diese Option und auch wenn es ein wenig seltsam aussieht ein 7-Zoll-Tablet ans Ohr zu halten, ja, mit Tablets kann man auch telefonieren. Universal-Geräte sind eine Mär aus vergangenen IT-Tagen. Wir setzen immer weitere, sehr spezialisierte Plattformen ein. Tablets werden nicht die eierlegende Wollmilchsau sein, sondern nur ein weiterer Beweis für die These, dass Hardware die neue Software ist.
Was darf ein Business-Tablet kosten? Sollte man bis Herbst oder Weihnachten warten?
Ich kann jedem Unternehmen und Enterprise Kunden nur raten bis zum Ende des Jahres zu warten, bevor sie irgendwelche Entscheidungen treffen. Wir werden sechs konkurrierende Konzepte und Betriebssysteme (iOS, Windows, Android, Tablet OS, webOS, MeeGo) im Markt sehen und langfristige Planungen sind zur Zeit einfach nicht möglich. Jeder IT-Berater der nun zu einer Anschaffung rät, arbeitet in meinen Augen unseriös und wird nur mit viel Glück die richtige Entscheidung treffen. Business-Tablets werden zwischen 500 und 1200 Euro kosten. Ich empfehle die Entwicklung bei RIM und HP abzuwarten und sich nicht von der unglaublichen App-Vielfalt bei iOS und Android blenden zu lassen.
Danke für das Gespräch.
Meinen vollständigen Bericht über Tablet-PCs beziehungsweise Media Tablets können Sie in der nächsten Ausgabe der Unternehmerzeitschrift Profirma lesen.