Privatisierung des Datenschutzes

13. November 2008

2 min. Lesedauer...

Beim Wort „Datenschutz“ denken wir an Preisgabe und Ausnutzung menschlicher Schwächen durch Behörden- und Konzernmitarbeiter. Und wer keine Schwächen hat, braucht auch keinen Schutz seiner Daten, oder? Dass auch deutsche Kunden die Datenschutzbestimmungen amerikanischer Airlines anerkennen müssen, um transportiert zu werden, wissen wir nun. Auch das die Daten in den U.S.A. verarbeitet werden, den amerikanischen Sicherheitsbehörden zugänglich sind.

Ein Offenbarungseid an den Datenschutz

Doch das so genannte „Davos-Abkommen“, vorbei an demokratischen Parlamenten von Konzernmanagern getroffen, geht weiter: Wer bei amerikanischen Unternehmen bucht, muss damit rechnen, dass die Daten nach Übersee wandern. Manchmal passiert das sogar im Schlaf: Ein Pilotprojekt ermöglicht es rund 25 deutschen Niederlassungen von US-Konzernen wie der Marriott-Hotelkette, die Daten ihrer Kunden ins Mutterland zu übermitteln. So wie in einem Berliner Hotel. An der Rezeption der übliche Check-in mit Ausfüllen des Meldezettels – Anschrift, Geburtsdatum, Reisedaten. Auf der Vorderseite findet sich ein Hinweis auf „umseitige“ Datenschutzbestimmungen, die jeder Gast anerkennen muß. Dort heisst es sinngemäß: „Die Daten werden in den U.S.A. verarbeitet … dienen auch Direktmarketingzwecken.“ Nicht nur das, amerikanische Behördenmitarbeiter erfahren, wann ich wo in deutschen Marriott-Hotels übernachte. Wer das Blatt nicht unterschreibt, verstösst gegen deutsche Meldegesetze. Einziger Trick: Den Datenschutz-Passus durchstreichen. Doch wer denkt schon daran, abends, im gebuchten Business Hotel? Ein Offenbarungseid für den Datenschutz.

Geschichte ist vergänglich

Geschichtlich ist Datenschutz in Deutschland eher ein Relikt der Nachkriegsgeneration, getrieben von der Angst vor einem neuen Nazi-Überwachungsstaat – inzwischen in dieser detaillierten Form aber einmalig in der Welt, ein Stück deutsches Kulturerbe. Doch dass deutsche Gesetze im Zeitalter der Globalisierung kaum greifen, demonstrierten uns der 11. September‘ und die darauf folgenden weltweiten Sicherheitsabkommen eindrucksvoll. Und wie schnell einstige Überzeugungen von Bürgerschutz vor Bespitzelung und Gängelung über Bord geworfen werden, auch. Doch nicht nur der weltweite Handelskrieg um Personendaten für das Marketing, der schon vor dem ‚11.September‘ begann, höhlt das Gebot der Datensparsamkeit aus. Auch die Wünsche von Bürgern, Konsumenten, nach Handy-Ortung von Freunden, 24-Stunden-Überwachung der eigenen Kinder und personalisiertem Service tragen dazu maßgeblich bei.

 

Kommentar veröffentlicht im PC-Magazin, 2004